Jehle macht überraschende Zusammenhänge zwischen Sozial- und Theatergeschichte sichtbar und gewinnt neue Einsichten in die Logik kultureller Kämpfe. Kenntnisreich und gut lesbar geschrieben ein vorbildliches Stück Kulturwissenschaft.
"Sie sitzen schon, mit hohen Augenbrauen, / Gelassen da und möchten gern erstaunen", heißt es im FAUST. Doch die Wirklichkeit ist anders. Im Parterre gibt es keine Sitzplätze, die den Blick der Zuschauer zwangsläufig auf die Bühne ausrichten würden; ausschließlich männliche Zuschauer kommentieren lautstark das Geschehen und drehen der Bühne nicht selten den Rücken zu, weil hinten im Saal oder oben auf den Rängen gerade das interessantere Schauspiel stattfindet. Im 18. Jahrhundert sind wir noch weit entfernt von den Momenten vollkommener Illusion, die sich Stendhal gewünscht hat. Und doch wird gerade das Theater zu einem der Orte, an denen die Produktion eines neuen gesellschaftlichen Subjekts betrieben wird - eines zivilen Helden, der den adligen Müßiggänger wie den soldatischen Typus in den Schatten stellt. Der zivile Held bezieht sein Selbstverständnis aus nützlicher Tätigkeit - nützlich für die vielen, die von ihrer Arbeitskraft leben müssen. Wie Diderots Enzyklopädie den nützlichen Wissenschaften ein Forum geboten hat, so das Theater dem zivilen Helden, der eine neue Lebensweise vorführt. Zum Bahnbrecher der modernen Welt, wie Gramsci sagt, wird nicht derjenige, der sich vor allem mit den Beziehungen zwischen Höflingen beschäftigt, sondern derjenige, der "Ratschläge zur Erbauung des Typus des Bürgers in der Zivilgesellschaft" gibt.
Autorentext
1954; Dr. phil., Lehrer, Mithg. des Argument und des HKWM (seit Bd. 7/I). Veröffentlichungen: Zivile Helden. Theaterverhältnisse und kulturelle Hegemonie in der französischen und spanischen Aufklärung (2010); Werner Krauss. Briefe 1922 bis 1976 (Hg., 2002); Gramsci, Gefängnishefte, Bde. 7-10 (Mithg., 1996-2002); Werner Krauss und die Romanistik im NS-Staat (AS 242, 1996). Mitgliedschaften: InkriT; GEW
Inhalt
Einleitung Teil: Frankreich 1 Die Eroberung des Theater durch die Literatur 2 Das literarische Regime: Text und Aufführung 3 Die umkämpfte Stellung des Lachens im Theater des Ancien Régime 4 Kulturelle Hegemonie der bürgerlichen Gruppen: der Umbau des Theaters zur "moralischen Anstalt" Teil II: Spanien 1 Einleitung 2 Die Theaterverhältnisse zu Beginn des 17. Jahrhunderts 3 Das popular-nationale Theater im 18. Jahrhundert in der "kulturellen Ökonomie" des Volkes 4 Die moralisch-intellektuelle Reform des neoklassischen Projekts 5 Ausbruch aus dem Intellektuellenzirkel - das Theater als Projekt einer Aufklärung von unten
"Sie sitzen schon, mit hohen Augenbrauen, / Gelassen da und möchten gern erstaunen", heißt es im FAUST. Doch die Wirklichkeit ist anders. Im Parterre gibt es keine Sitzplätze, die den Blick der Zuschauer zwangsläufig auf die Bühne ausrichten würden; ausschließlich männliche Zuschauer kommentieren lautstark das Geschehen und drehen der Bühne nicht selten den Rücken zu, weil hinten im Saal oder oben auf den Rängen gerade das interessantere Schauspiel stattfindet. Im 18. Jahrhundert sind wir noch weit entfernt von den Momenten vollkommener Illusion, die sich Stendhal gewünscht hat. Und doch wird gerade das Theater zu einem der Orte, an denen die Produktion eines neuen gesellschaftlichen Subjekts betrieben wird - eines zivilen Helden, der den adligen Müßiggänger wie den soldatischen Typus in den Schatten stellt. Der zivile Held bezieht sein Selbstverständnis aus nützlicher Tätigkeit - nützlich für die vielen, die von ihrer Arbeitskraft leben müssen. Wie Diderots Enzyklopädie den nützlichen Wissenschaften ein Forum geboten hat, so das Theater dem zivilen Helden, der eine neue Lebensweise vorführt. Zum Bahnbrecher der modernen Welt, wie Gramsci sagt, wird nicht derjenige, der sich vor allem mit den Beziehungen zwischen Höflingen beschäftigt, sondern derjenige, der "Ratschläge zur Erbauung des Typus des Bürgers in der Zivilgesellschaft" gibt.
Autorentext
1954; Dr. phil., Lehrer, Mithg. des Argument und des HKWM (seit Bd. 7/I). Veröffentlichungen: Zivile Helden. Theaterverhältnisse und kulturelle Hegemonie in der französischen und spanischen Aufklärung (2010); Werner Krauss. Briefe 1922 bis 1976 (Hg., 2002); Gramsci, Gefängnishefte, Bde. 7-10 (Mithg., 1996-2002); Werner Krauss und die Romanistik im NS-Staat (AS 242, 1996). Mitgliedschaften: InkriT; GEW
Inhalt
Einleitung Teil: Frankreich 1 Die Eroberung des Theater durch die Literatur 2 Das literarische Regime: Text und Aufführung 3 Die umkämpfte Stellung des Lachens im Theater des Ancien Régime 4 Kulturelle Hegemonie der bürgerlichen Gruppen: der Umbau des Theaters zur "moralischen Anstalt" Teil II: Spanien 1 Einleitung 2 Die Theaterverhältnisse zu Beginn des 17. Jahrhunderts 3 Das popular-nationale Theater im 18. Jahrhundert in der "kulturellen Ökonomie" des Volkes 4 Die moralisch-intellektuelle Reform des neoklassischen Projekts 5 Ausbruch aus dem Intellektuellenzirkel - das Theater als Projekt einer Aufklärung von unten
Titel
Zivile Helden
Untertitel
Theaterverhältnisse und kulturelle Hegemonie in der französischen und spanischen Aufklärung
Autor
EAN
9783867549547
ISBN
978-3-86754-954-7
Format
E-Book (epub)
Hersteller
Herausgeber
Veröffentlichung
07.05.2013
Digitaler Kopierschutz
frei
Anzahl Seiten
240
Jahr
2013
Untertitel
Deutsch
Lesemotiv
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