Nach gängiger Auffassung entstand der Rechtsstaat durch die Zähmung der barbarischen Natur des Menschen: Archaische und vormoderne Gesellschaften seien von Konflikten um Ehre und Rache regiert worden, deren Macht im langwelligen Prozess der Zivilisierung gebrochen wurde. Durch Aufklärung und Modernisierung sei die von den Ehrgefühlen entzündete Gewalt wieder eingehegt worden und Humanität an die Stelle der Triebnatur des Menschen getreten - so die gängige Annahme. Dieses Buch zeigt am Beispiel der griechischen Antike auf, dass die Gefühle, die wir gemeinhin mit Ehre und Rache verbinden, durch das antike Recht überhaupt erst geschaffen wurden. Es leistet einen wichtigen Beitrag zu einer politischen Theorie der Wirksamkeit des Rechts und fügt der Gewaltgeschichte des Menschen in der frühgriechischen Antike eine unerwartete Wendung hinzu.



Autorentext

Philipp Ruch ist Philosoph und Gründer des Zentrums für Politische Schönheit.



Inhalt

Inhalt Erster Teil: Ehre I. Menschen ohne Ehre 1. Einleitung Gegenstand und Zielsetzung 13 Zur Problemstellung der Arbeit 31 Grundzug des antiken Rechts: der nomos tyrannos 46 2. Methodische Vorüberlegungen Antike Texte als Rechtsquellen 57 Gewohnheitsrecht 66 Gesetzes- und Vertragsrecht 71 II. Der Gewinn der Ehre 1. Ehre und Materie Die Ehre im Spiegel politischer Anthropologie 82 Zeus' Armut 98 2. Desymbolisierungsresistente Ehren Der antike Ehrenmaterialismus 106 Die Antastung desymbolisierungsresistenter Ehrenkörper 115 3. Desymbolisierbare Ehren Die Produktion von Sichtbarkeit und Präsenz 120 Die Ehre im Raum 129 Die Ehre im Leib 136 Exkurs: Grundriss des Ehrgefühls in systematischer Absicht 149 4. Ehre und Recht Die rechtliche Limitierung der Ehre 160 III. Der Verlust der Ehre 1. Entehrungen im Staatsrecht Die "Angst vor deshonneur" 170 Vertrag mit dem Recht? 186 2. Entehrungen im Völkerrecht Die Totalität des Politischen 190 Heraklits >Drehkreuz< von Freien und Sklaven 196 Zweiter Teil: Rache IV. Zum Verhältnis von Ehre und Gewalt 1. Die Konstruktion aggressionsarmer Gesellschaften Gefühle aus Ehre in der Forschung 205 Der antimoderne Ehrbegriff 216 Antike Formen der Gefühlskontrolle 222 2. Menschen ohne Rache Die Blutevidenz der Rache in den antiken Tragödien 227 Die Gewaltevidenz der Rache in Epos und Historiographie 242 Recht und Rache 253 Antike Formen der Gewaltkontrolle: im Treppenhaus der Kultur 270 V. Die Entwicklung des archaischen Racherechts 1. Das homerische Racherecht Die Humanität der Rache bei Homer 287 2. Das posthomerische Racherecht Handelsverbote mit der Rache: die Entstehung des archaischen Blutrechts 299 Gewaltuntertretung: die Kippfigur von Gewaltbereitschaft in Rachezwang 310 Zur Rechtskollision in der Orestie 323 VI. Das zwischenstaatliche Racherecht 1. Fallbeispiele zum Zielkonflikt von Geld und Rache Treuhänder der Rache: das Schwert des antiken Völkerrechts 333 Die Annektierung von Schicksalsfolgen: Mytilenes Urteil 346 Die Kosten der Gewalt: der Flächenbrand der Rache 353 Exkurs: In der Gärtnerei der Macht. Ein Lehrstück antiker Staatsräson 361 Der Angriff Schuldloser: hybris im antiken Völkerrecht 366 Der Zielkonflikt zwischen Reichtum und Rache nach der Sizilischen Expedition 374 VII. Ausblick 1. Petrischalen des Rechts Die Demontage der Ehre und die Kultivierung der Würde 378 Schluss 387 Literaturverzeichnis 392 Abbildungsverzeichnis 434 Dank 436

Titel
Ehre und Rache
Untertitel
Eine Gefhlsgeschichte des antiken Rechts
EAN
9783593436395
ISBN
978-3-593-43639-5
Format
E-Book (pdf)
Herausgeber
Veröffentlichung
16.02.2017
Digitaler Kopierschutz
Wasserzeichen
Dateigrösse
70.84 MB
Anzahl Seiten
437
Jahr
2017
Untertitel
Deutsch