Radek Knapp, 1964 in Warschau geboren, lebt als freier Schriftsteller in Wien und in der Nähe von Warschau. Sein hintergründiger Roman 'Herrn Kukas Empfehlungen' gehört zu den erfolgreichsten Longsellern bei Piper. Zuletzt erschienen von ihm die Romane 'Reise nach Kalino' und 'Der Gipfeldieb'.
Autorentext
Radek Knapp, 1964 in Warschau geboren, lebt als freier Schriftsteller in Wien und in der Nähe von Warschau. Sein hintergründiger Roman "Herrn Kukas Empfehlungen" gehört zu den erfolgreichsten Longsellern bei Piper. Zuletzt erschienen von ihm die Romane "Reise nach Kalino" und "Der Gipfeldieb".
Leseprobe
Das Hongkong Osteuropas
Die Ankunft in Polen wird Sie natürlich vor eine schwere Wahl stellen: In welcher Stadt soll nun eigentlich die Reise beginnen? Immerhin unterscheiden sich die Städte Polens sehr voneinander. Die Unterscheidungskriterien sind dabei anders als in Italien oder Frankreich. Es gibt Städte, die vom Krieg zerstört und danach wieder aufgebaut worden sind, und solche, die den Weltkrieg, insbesondere den letzten, heil überstanden haben, wie zum Beispiel Krakau. Warschau ist das Musterbeispiel einer wiederaufgebauten Stadt und wird unter anderem auch deshalb von den eigenen Bewohnern ironisch als Hongkong Osteuropas bezeichnet.
Wenn man die Karte Polens betrachtet, stellt man fest, dass die geografische Lage Warschaus einer Hauptstadt würdig ist. Während Rom am unteren Teil des italienischen Stiefels angesiedelt ist und Berlin im äußeren Osten Deutschlands, liegt Warschau ideal im Zentrum des Landes. (Auch die geografische Mitte Europas liegt nur wenige Kilometer von Warschau entfernt.) In welche Richtung Sie dann auch immer weiterfahren, es bleiben an die vier Stunden bis zur Landesgrenze.
Um die Gründung Warschaus rankt sich eine Legende, die auf einem Wortspiel beruht. Einst lebten in einer kleinen Hütte an der Weichsel der Fischer Wars und seine Frau Sawa. Eines Tages verlief sich ein Prinz während einer Jagd und konnte nicht mehr zu seinem Schloss zurückfinden. Da erblickte er die Hütte von Wars und Sawa, die ihn bewirteten und ihm ein Obdach gewährten. Aus Dankbarkeit schenkte ihnen der Prinz die umliegenden Ländereien. Und von da an wuchs um die Hütte von Wars und Sawa eine Ortschaft, die schließlich zu jenem Warschau wurde, das man heute kennt. In Wirklichkeit aber wurde die Gegend des heutigen Warschau vor etwa 700 Jahren zum ersten Mal besiedelt.
Im Jahre 1596 verlegte König Sigismund III. Wasa den Sitz der Hauptstadt von Krakau nach Warschau. Was vorerst nur als provisorische Maßnahme gedacht war (der König hatte es von hier näher zu den Schweden, mit denen er Verhandlungen führte), wurde bald endgültig. 1613 wurde Warschau offiziell die Hauptstadt Polens und galt schon damals als eine Stadt, in der es immer zu eng war und in der zu wenig gebaut wurde. Der mittelalterliche Spruch »Wenn die Katze auf der Schwelle sitzt, wedelt ihr Schwanz schon im Nachbarhaus« fand hier in jedem weiteren Jahrhundert neue Bestätigung, und das gilt bis heute. Vielleicht lag es gerade an diesem notorischen Platzmangel (man musste die Stadt mit feindlichen Besatzern teilen), dass ausgerechnet in Warschau die wichtigsten Volksaufstände in der polnischen Geschichte losbrachen. 1794 griffen die verzweifelten Warschauer unter der Führung eines Schuhmachers namens Jan Kilinski zu den Waffen und jagten die Truppen der russischen Besatzer aus der Stadt. Bedauerlicherweise verbündeten sich die Russen mit Preußen und eroberten Warschau zurück. Der Befreiungskampf gegen das feindliche russisch-preußische Tandem wurde zu einem wiederkehrenden Motiv. Von da an war die Geschichte Polens eng mit der ihrer Hauptstadt verknüpft. Was in Warschau geschah, hatte Auswirkungen bis ins kleinste Nest im Tatragebirge. Nur 36 Jahre später, im Jahr 1830, brach der Novemberaufstand los, der für die Polen eine besondere Bedeutung hatte. Er hatte einen ähnlichen Ausgang wie der erste, aber er zementierte das erwachende Nationalbewusstsein der Polen derart, dass eine endgültige Befreiung nur eine Frage der Zeit schien.
Die zahlreichen Aufstände und Partisanenkämpfe machten die Polen auf Dauer zu Spezialisten des »Hinterhalts« und des zivilen Ungehorsams. Nach nunmehr 200 Jahren ließen sich daraus ein paar Charaktereigenschaften ableiten, die einem heute typisch slawisch vorkommen könnten. Heute ist man sich weitgehend einig darüber, dass es nicht so weit gekommen wäre, wenn der vielleicht tragischste Befreiungsversuch in der Geschichte Warschaus nicht gescheitert wäre. Der Warsch
Inhalt
An meine lieben und widerspenstigen Landsleute. Anstelle eines Vorworts
Keine Angst vor der slawischen Seele
Looping beim Landeanflug
Nur nicht anhalten
Ein Ausländer in Polen
Das Komma weiß, wann seine Zeit gekommen ist
Wie schreibt man auf dem Wasser?
Das Hongkong Osteuropas
Krakau als Kulturkneipe
Das rettende Ufer der Rückständigkeit
Schneemänner im Süden, Perlen im Norden
Wie man den Kommunismus kurzschließt
Schönes Geld
Das Kreuz am Sonntag
Unter dem Lächeln von Jarosaw Kaczyski
Wozu Wodka wirklich gut ist
Die Weichselaphrodite
Gräfin Walewska auf dem Pferdegestüt
Essig auf dem Mars
Gehen Sie wieder nach Hause, Herr Polanski
Der Rettungsanker von Pan Samochodzik
Schaba und der Tennisball
Denkwürdige polnische Weltkarrieren
Die Legende vom versunkenen Gettoblaster
In letzter Minute