Roland Krause wurde 1964 in Lindau geboren. Nach einigen Jahren in Nürnberg lebt und arbeitet er heute in München. Die Stadt mit all ihren heiteren, skurrilen und abgründigen Facetten menschlichen Daseins bildet auch den Hintergrund seiner Erzählungen. Nach 'Der Sandner und die Ringgeister' und 'Fuchsteufelswild' ist 'Der Tod kann warten' sein dritter Kriminalroman um Hauptkommissar Josef Sandner.
Autorentext
Roland Krause wurde 1964 in Lindau geboren. Nach einigen Jahren in Nürnberg lebt und arbeitet er heute in München. Die Stadt mit all ihren heiteren, skurrilen und abgründigen Facetten menschlichen Daseins bildet auch den Hintergrund seiner Erzählungen. Nach "Der Sandner und die Ringgeister" und "Fuchsteufelswild" ist "Der Tod kann warten" sein dritter Kriminalroman um Hauptkommissar Josef Sandner.
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Warm ist es auch in Brauners Obermenzinger Stube. Wie beim Topfschlagen. Ob es heiß wird, ist die Frage. Die Entführer hatten sich gemeldet. Der Jonny ist ganz aus dem Häuschen, spielt die Stimme immer wieder ab.
Die Wiesner setzt sich schweigend dazu. Nachdem im Hause Brauner offenbar wichtige Fakten vorliegen würden, ist sie sofort nach Obermenzing geprescht. Rekordzeit. Unter zwanzig Minuten. Ihr junger Kollege hat sich angehört, als wenn die Aufklärung des Falles nun unmittelbar bevorstünde.
Jetzt sitzt sie mit den beiden Hausbewohnern in der Stube. Die Möbel glänzen, die Luft ist frisch. Der Jonny scheint ein dienstbarer Geist zu sein. Vielleicht sollte sie ihn sich einmal ausborgen, zum Fensterputzen.
Erwartungsvolle Blicke ruhen auf ihr. Und? Kaffee bekommt sie kredenzt. Ein Schokoladenkeks liegt auf der geblümten Untertasse.
»Was Neues?«, hören sie sich siebzehn Mal an.
Sonst nichts. Zwei lausige Wörter.
Die beiden Männer beobachten ihre Reaktion. Sie trinkt einen Schluck Kaffee, knabbert am Gebäck. Langsamer, als sie müsste. Behutsam stellt sie danach die Tasse auf das Tellerchen. Schaut von einem zum anderen.
»Ausbaufähig«, formuliert sie schließlich einfühlsam. »Da wär noch ein bisserl Luft nach oben.«
»Ja, aber wenigstens haben wir seine Stimme«, beharrt der Jonny, vom eifrigen Nicken des Oberstaatsanwaltes sekundiert.
Wenn das als Erkenntnisgewinn durchgeht, sollte sie in ihrem Kaffeesatz die fehlenden Informationen locker herauslesen. Der Brauner hatte dem Entführer erklärt, dass er ein Lebenszeichen von seiner Mutter wolle und die Ermittlungen im Fall Fuhrer auf Hochtour liefen. Er hat noch ergänzt, selbst wenn seine Mutter jetzt freikäme, würden sie aufgrund von Zweifeln an Fuhrers Schuld weiterermitteln. Aber der Unbekannte hatte aufgelegt.
Entführungsfälle in den Fernsehkrimis werden zu hundert Prozent mithilfe der Hintergrundgeräusche aufgeklärt. Die reale Verbrecherbagage ist in der Regel zu gewieft, solch mangelhaftes Handwerk abzuliefern. Darfst du dich ja nicht mehr blicken lassen im Gewerbe. Selbst bei der Polizei wäre es sonst ein Fall von Fremdschämen. Die Sender haben ihren Bildungsanspruch zu verwirklichen, wozu zahlte man sonst Gebühren. An Nachverfolgung war nicht zu denken. Nur diese zwei Wörter. Mutmaßlich ein Mann, dessen Muttersprache Deutsch ist. Was Neues? Ob die forensischen Phonetiker ihnen zumindest das Alter eingrenzen könnten? Sie erwartet kein opulentes Täterprofil. Dass er gerne Hendl isst, graue Sakkos trägt, Goldinlays bevorzugt und in Petershausen in der Grundschule war, wird nicht im Bericht stehen. Der Jonny wird sich auf den Weg zum Spezialisten machen. Persönlich dafür sorgen soll er, um Geschwindigkeit hineinzubringen. Der Auslauf wird ihm guttun. Er ist schon halb bei der Tür hinaus, da scheint ihm noch etwas einzufallen.
»Horch, Sandra, dein Zahnarzt lebt mit seiner Tusnelda und seiner Mutter im Haus. Die wären bestimmt nicht erbaut von seinen befriedigenden Behandlungsmethoden - oder was meinst du?«
»Nicht schlecht, Jonny.«
»Der Höhepunkt meiner Karriere. Das hör ich schon zum zweiten Mal!«
»Bild dir nix ein, vielleicht werd ich bloß dement.«
Die Tür fällt hinter ihm ins Schloss.
Die Erwähnung des Zahnarztes hat der Wiesner kurz den Puls beschleunigt. Sie atmet durch. Keine Zeit für Selbstbetrachtungen. Brauners zusammengesunkene Gestalt zeigt ihr dessen Innenleben. Sie ist sich nicht sicher, ob sie ihn hier alleine hocken lassen sollte. Er ist eine Kämpfernatur. Gerade die sind anfällig, wenn ein Schlag kommt, den sie nicht haben sehen können. Das bringt alles ins Wanken. Unschlüssig steht sie im Wohnzimmer herum.
»Haben Sie schon was gegessen, heut?«, will sie von ihm wissen.
Er wirft ihr einen Blick zu, als hätte sie sich das Gewand vom Leib gerissen, um sich selbst als Mahlzeit anzubieten.
»Ich