Die israelische Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem hat bis heute mehr als 25?000 mutige Männer und Frauen geehrt, die während des Zweiten Weltkriegs Juden retteten. Diese Geschichte ist trotzdem einzigartig. Unter den 'Gerechten unter den Völkern' ist bislang nur ein Araber: Mohammed Helmy. Er lebte in Berlin. Den ganzen Krieg über blieb er in der Stadt. Der Ägypter balancierte ständig auf einem schmalen Grat zwischen Anpassung und Subversion, und er vollbrachte ein wahres Husarenstück, um die Nazis auszutricksen. So rettete er die Jüdin Anna Boros. Dieses Buch wirft ein Licht auf eine fast vergessene Welt, das alte arabische Berlin der Weimarer Zeit, das gebildet, fortschrittlich und in weiten Teilen alles andere als judenfeindlich war. Einige Araber in Deutschland stellten sich in den Dienst des NS-Regimes. Aber eine nicht unbedeutende Gruppe - und von ihr handelt diese Geschichte - bildete einen Teil des deutschen Widerstands gegen den NS-Terror.

Ronen Steinke ist Redakteur und Autor der 'Süddeutschen Zeitung'. Seine juristische Doktorarbeit über Kriegsverbrechertribunale von 1945 bis heute wurde von der FAZ als 'Meisterstück' gelobt. Zuletzt erschien im Piper Verlag seine Biografie über Fritz Bauer, den mutigen Ermittler und Ankläger der Frankfurter Auschwitz-Prozesse, die preisgekrönt verfilmt und in mehrere Sprachen übersetzt wurde.

Die israelische Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem hat bis heute mehr als 25 000 mutige Männer und Frauen geehrt, die während des Zweiten Weltkriegs Juden retteten. Diese Geschichte ist trotzdem einzigartig. Unter den »Gerechten unter den Völkern« ist bislang nur ein Araber: Mohammed Helmy. Er lebte in Berlin. Den ganzen Krieg über blieb er in der Stadt. Der Ägypter balancierte ständig auf einem schmalen Grat zwischen Anpassung und Subversion, und er vollbrachte ein wahres Husarenstück, um die Nazis auszutricksen. So rettete er die Jüdin Anna Boros. Dieses Buch wirft ein Licht auf eine fast vergessene Welt, das alte arabische Berlin der Weimarer Zeit, das gebildet, fortschrittlich und in weiten Teilen alles andere als judenfeindlich war. Einige Araber in Deutschland stellten sich in den Dienst des NS-Regimes. Aber eine nicht unbedeutende Gruppe - und von ihr handelt diese Geschichte - bildete einen Teil des deutschen Widerstands gegen den NS-Terror.



Vorwort
Eine Geschichte, die Mut macht in Zeiten des Hasses

Autorentext
Ronen Steinke ist Redakteur und Autor der "Süddeutschen Zeitung". Seine juristische Doktorarbeit über Kriegsverbrechertribunale von 1945 bis heute wurde von der FAZ als "Meisterstück" gelobt. Zuletzt erschien im Piper Verlag seine Biografie über Fritz Bauer, den mutigen Ermittler und Ankläger der Frankfurter Auschwitz-Prozesse, die preisgekrönt verfilmt und in mehrere Sprachen übersetzt wurde.

Zusammenfassung
Die israelische Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem hat bis heute mehr als 25000 mutige Männer und Frauen geehrt, die während des Zweiten Weltkriegs Juden retteten. Diese Geschichte ist trotzdem einzigartig. Unter den »Gerechten unter den Völkern« ist bislang nur ein Araber: Mohammed Helmy. Er lebte in Berlin. Den ganzen Krieg über blieb er in der Stadt. Der Ägypter balancierte ständig auf einem schmalen Grat zwischen Anpassung und Subversion, und er vollbrachte ein wahres Husarenstück, um die Nazis auszutricksen. So rettete er die Jüdin Anna Boros. Dieses Buch wirft ein Licht auf eine fast vergessene Welt, das alte arabische Berlin der Weimarer Zeit, das gebildet, fortschrittlich und in weiten Teilen alles andere als judenfeindlich war. Einige Araber in Deutschland stellten sich in den Dienst des NS-Regimes. Aber eine nicht unbedeutende Gruppe und von ihr handelt diese Geschichte bildete einen Teil des deutschen Widerstands gegen den NS-Terror.

Leseprobe
Hausbesuch

Es muss ein Nachmittag im Jahr 1936 gewesen sein, als sie sich zum ersten Mal begegneten, Dr. Mohammed Helmy und das Mädchen Anna.[1] Peinlich berührt folgte sie dem Schauspiel, das an diesem Tag geboten wurde, es sollte ihr noch lange in Erinnerung bleiben wegen der Art, wie sich die Erwachsenen verhielten. Es war geschäftig gewesen draußen auf den Straßen von Moabit, Dr. Helmys Wagen hatte immer wieder halten müssen auf seinem Weg ins Zentrum, zu den Schaufenstern und Reklametafeln des Alexanderplatzes.

In der Neuen Friedrichstraße hielt er vor ihrem großbürgerlichen Haus, stieg aus und klingelte. Hausnummer 77, das Erdgeschoss wurde fast vollständig von einem Obstgeschäft eingenommen. Über den Bürgersteig wehte der Duft frischer Pfirsiche aus Italien, das Kilo zu vier Mark, auch frische Tomaten, das Kilo zu zwanzig Pfennig.[2] Eine ihm unbekannte Dame hatte ihn gerufen.

Die beiden Frauen, die ihn an der Wohnungstür begrüßten, hatten eigens Schmuck angelegt, Brillantringe und Colliers. Der Arzt hatte kaum Guten Tag sagen können, da umschmeichelten sie ihn schon und machten ihm Komplimente. Sie riefen ihre Haushälterin herbei, schnell einen Tee zu servieren für den Herrn Doktor, und ihre ungarische Köchin,[3] eine Kleinigkeit zu essen zu bereiten, eine Erfrischung für Herrn Doktor, und bitte keine Sorge, Herr Doktor, wir verwenden kein Schweinefleisch in diesem Haus, Sie verstehen?

Anna war erst elf Jahre alt, sie lebte mit den beiden Frauen zusammen, mit ihrer Mutter und Großmutter - und sie traute ihren Ohren kaum, wie ihre Mutter den unbekannten Ägypter hofierte.[4] Die Frauen begannen, ihn auch mit Einladungen zu umgarnen, »um Herrn Doktor im Privaten zu gewinnen«, wie es Anna erschien.[5]

Anna war »nicht der Mensch, der über seinen Kummer spricht«, sagte sie später. Mit den beiden Frauen konnte sie über nichts reden, was sie bedrückte.[6] Als streng empfand sie die beiden, nicht freigiebig. Sie waren hart, vielleicht weil sie es sein mussten. Die Männer in ihrer Familie waren unbeständig geblieben, früh verstorben oder geschieden. So führten die Frauen das Geschäft. Sie geizten mit Komplimenten und Aufmerksamkeiten. Umso merkwürdiger erschien dem Kind nun dieses Theater in der Gegenwart von Dr. Helmy. Die Frauen »machten sich ran«, so nahm Anna es wahr.[7]

Immer wieder riefen sie Anna herbei, obwohl sie mit diesem Arztbesuch nichts zu tun hatte. Anni hier, Panny da. Pannyka!,[8] sagte die Grußmutter, die ungarische nagymama, die Nettigkeiten wie Gehässigkeiten stets süß flötend intonierte, ne álljitt a doktorúrútjába, teddmagadhasznossá! - Steh dem Herrn Doktor nicht im Weg herum, mach dich nützlich!

Dr. Helmy, der gerade im Begriff war, seinen Mantel abzulegen, hatte sich gar nicht beklagen wollen, dass ihm jemand im Weg stehen würde. Aber Anna verstand genug, um der Großmutter keine Szene zu machen. »Ich wusste mit unseren Verhältnissen genauestens Bescheid«, erinnerte sie sich später. Für Juden hatte es begonnen sehr schlecht zu werden, »die Enteignung der Geschäfte, die Einziehung des Geldes und so weiter«, so Anna.[9] Also blieb sie lieber still.

Die Haushälterin brachte das Teeservice. Sie schlängelte sich vorbei am Klavier und den mit Brokat bezogenen Sofas. Durch das Wohnzimmer mit der Chaiselongue, den zwei Betten, zwei Schränken, drei Läufern. Vorbei an Gemälden, Geschirren, Skulpturen, hin zu dem Raum, den Annas nagymama ausgesucht hatte, um sich dort von dem arabischen Arzt untersuchen zu lassen: dem Salon mit der Vitrine, den sechs Sesseln und dem Wandspiegel, den die Großmutter einen »Trumeau« nannte.[10]Bild_der_Familie_am_Tisch.jpeg

Es waren zahlungskräftige Leute, wie Dr. Helmy im Widerschein des Trumeaus bemerken sollte. Möglicherweise auch deshalb hatte man ihn zur Visite hierherbestellt, stat

Titel
Der Muslim und die Jüdin
EAN
9783827079534
Format
E-Book (epub)
Hersteller
Herausgeber
Veröffentlichung
01.08.2017
Digitaler Kopierschutz
Wasserzeichen
Dateigrösse
5.42 MB
Anzahl Seiten
208
Features
Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet