Rostock 1608. Als Tochter eines Fechtmeisters ist Clarissa von der Kunst des Fechtens fasziniert. Für sie geht ein Traum in Erfüllung, als sie ihren Vater nach Frankfurt begleiten darf, wo sich die besten Schwertkämpfer des Reiches messen. Doch zwischen den verfeindeten Fechtbruderschaften schwelt ein Krieg, und dann wird Clarissas Vater bei einem Überfall ermordet. Mit dem jungen Räuber Leander macht sie sich auf die Suche nach den Mördern. Dabei stößt sie auf eine Verschwörung, die das ganze Reich bedroht: Kaiser Rudolf soll ermordet werden - ausgerechnet von einem Fechter ...

Autorentext
Sabine Weiß, 1968 geboren in Hamburg, war nach ihrem Germanistik- und Geschichtsstudium als Journalistin tätig. 2007 veröffentlichte sie ihren ersten historischen Roman, der zu einem großen Erfolg wurde und dem fünf weitere folgten. Für Die Tochter des Fechtmeisters tauschte die Autorin Schreib- gegen Stahlfeder - und wurde mit Muskelkater und tieferen Einsichten über die Fechtkunst belohnt. Sie lebt mit ihrer Familie in der Nordheide.

Leseprobe
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Rostock, Mecklenburg, August 1608

Der Kaufmann hieß den Knecht seinen Karren beiseitelenken, eine Patrizierin wechselte die Seite, selbst ein Ratsmann machte ihnen Platz, als sie forsch durch Rostocks Straßen schritten. Marius spürte das Wippen des Degens an seiner Seite, die bewundernden Blicke der Frauen auf seiner einnehmenden Gestalt und seinen Waffenbruder Alexander neben sich. Er fühlte sich unbesiegbar. Sogar Clarissa hatte ihn vorhin bewundernd angesehen. Sein neuer Radmantel aus tiefblauem Samt harmonierte aber auch ausgezeichnet mit seinen hellblauen Augen und seinem schulterlangen Blondschopf. Clarissa. Noch einmal spürte er den Gefühlen nach, die dieser Name in ihm auslöste. Die Tochter seines Fechtmeisters hatte ihn gleich fasziniert. Mit ihrer schwarzen Mähne, den tiefblauen Augen, ihrer vornehmen Blässe und den vollen Lippen strahlte sie eine Mischung aus Unnahbarkeit und Sinnlichkeit aus, die ihn ungeheuer reizte. Äußerlich würde sie einen hübschen Kontrast zu ihm abgeben. Und natürlich wäre sie eine gute Partie. Aber in den vier Wochen, in denen sie nun schon unter einem Dach lebten, hatte sie stets züchtigen Abstand zu ihm gehalten. Schon öfter hatte Marius versucht, sie allein abzupassen, aber stets war jemand dazwischengeplatzt. Heute musste es sein! Heute musste er herausfinden, ob sie ebenfalls etwas für ihn empfand! Schließlich würden sie bald getrennt.

Wenn ihm nur sein Freund und Waffenbruder nicht in die Quere kam! Alexander, dieser Schwerenöter. Schon oft hatten sie um die Gunst einer Frau konkurriert. Mal hatte der eine obsiegt, mal der andere. Es war Geschmackssache: Alexander war ein muskulöser, übergroßer Mann. Stets perfekt in Auftreten und Haltung, hatte er etwas von einer gespannten Armbrust. Bart und Haare glänzten tiefbraun, und er war ein geschätzter, weil großzügiger Kunde bei den Bartscherern der Stadt. Auch jetzt umgab ihn der feine Duft von Seife, wie Marius feststellte. Im Umgang mit dem weiblichen Geschlecht war Alexander geradlinig und ließ nichts anbrennen. Im Gegensatz zu Alexander betrachtete Marius sich als geschmeidig, charmant und gefällig. Glücklicherweise hatte sein Freund bislang kein Interesse an Clarissa gezeigt. Es gab allerdings auch so genügend Frauen, die ihm schöne Augen machten. Mit Alexander wurde es in dieser Hinsicht nie langweilig.

Sie hatten die Workrenterstraße und den Hafenbezirk hinter sich gelassen, in dem sich das Haus des Fechtmeisters befand. Inzwischen schritten sie an der Marienkirche vorbei auf den Neuen Markt zu. Zufrieden nahm Marius die Szenerie in sich auf. Seine Zeit in Rostock hatte seinem Leben eine neue Richtung gegeben. Von Anfang an hatte die alte Hanse- und Fürstenstadt ihn beeindruckt. Diese Fülle sattroter Giebelhäuser aus Backstein, die sich am Ufer der Unterwarnow ausbreiteten! Die unzähligen Kaufmannsläden und Braustuben! Die Vielfalt von Sprachen und Menschen! Rostock war eine quirlige Stadt. Schiffe aus dem gesamten Ostseeraum und darüber hinaus liefen den Hafen an. Auf den Straßen mischten sich Seeleute und Studenten aus verschiedensten Ländern mit den Einheimischen. Vor allem Holländisch und Brabantisch waren allerorten zu hören. Aber auch Schweden, Dänen und Norweger suchten die Hauptstadt des Landes Mecklenburg häufig auf, sogar Finnen und Isländer gab es hier. Viele schrieben sich an der Universität Rostock ein. Die Alma Mater Rostochiensis war die erste Universität im Ostseeraum gewesen und eine der ältesten und größten im ganzen Norden, was in Rostock gerne betont wurde.

Marius lüftete mit dem Zeigefinger die kleine Halskrause. Es war heiß, aber förmliche Kleidung war unabdingbar. Sie durften ihren Meister zu einem ganz besonderen Fest begleiten. Eine Doktorpromotion und Hochzeit auf einen Schlag, das kam nicht so oft vor. Es war ein feierlicher Abschluss ihrer Zeit in Rostock, dachte Marius. Hierhergekommen war er als einfacher Kürschner-Gesell

Titel
Die Tochter des Fechtmeisters
Untertitel
Historischer Roman
EAN
9783732530588
ISBN
978-3-7325-3058-8
Format
E-Book (epub)
Altersempfehlung
ab 16 Jahre
Hersteller
Herausgeber
Veröffentlichung
09.12.2016
Digitaler Kopierschutz
frei
Dateigrösse
1.33 MB
Anzahl Seiten
703
Jahr
2016
Untertitel
Deutsch
Features
Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet
Auflage
1. Aufl. 2016
Lesemotiv