Ein rationaler Verstand und logisches Denken sind die bevorzugten Waffen des Inquisitors Stephan von Bartholomae im Kampf gegen böse Mächte. Unterstützt durch den Novizen Jonas führt ihn ein Hilferuf in Form eines Schreibens, verfasst durch einen einfachen Pater, in die östlichen Gebiete jenseits der Moldau. Darinnen heißt es, das Böse habe die Macht über die Mitglieder seiner Gemeinde gewonnen. Bei ihrer Ankunft wird den Vertretern der Kirche schnell bewusst, dass ihre Anwesenheit wenig erwünscht ist. Der mittlerweile erfolgte Selbstmord des Paters gibt Rätsel auf. Stück für Stück versucht Stephan das Mosaik zusammenzulegen und erkennt dabei menschliche Schwäche und den Versuch der Täuschung. Als man ihm eine Schuldige anbietet, überschlagen sich die Ereignisse. An diesem Punkt angelangt, muss Stephan sich eingestehen, dass es Dinge zwischen Himmel und Erde gibt, die man nicht mit reiner Wissenschaft erklären kann.
Leseprobe
Im Jahre des Herren 1554, 03. November Krächzend zog eine beängstigende Anzahl von Raben über die Weite der Ländereien weit östlich der Moldau. Mit ihren harten Schnäbeln verteilten sie leichte Hiebe unter ihresgleichen, wenn etwas gegen den Willen des Individuums lief, und fanden kurz darauf neuen Gefallen an gemeinsamen Unternehmungen. Der Zweckverband der schwarzen Unglücksboten befand sich lediglich auf der Durchreise. Lautstarke Verständigung gab Flugrichtung und Ziel vor, sodass dieser Landstrich schnell seine Ruhe zurückerlangte, nachdem die Meute ihre Aufmerksamkeit gen Norden lenkte. Leichte Schneeverwehungen lagen über stoppeligen Feldern, welche vor wenigen Wochen voll im Korn gestanden hatten. Stellenweise lugten gefrorene Erdklumpen hervor und sorgten für markante Abwechslung in dem Hauch aus Weiß. Kahle Bäume, die am Anfang ihres Winterschlafes standen, säumten den Rain mühsam angelegter Äcker. Diese wiederum bildeten das erste Anzeichen menschlichen Schaffens in einer trübsinnigen Gegend. Das abfällige Urteil erschuf mit Sicherheit eine Ungerechtigkeit, da zur kalten Jahreszeit die meisten ländlichen Gegenden von einer Schwermut überzogen wurden und daher ungastlich wirkten. Und doch hing über diesem Land eine besondere Stimmung, die bedrohlich wirkte. Welche düsteren Mächte hier ein undurchsichtiges Spiel trieben, konnte man auf den ersten Blick nicht erkennen. Dennoch existierten sie, zu jeder Zeit und an jedem Ort. Die wachen Augen des älteren der beiden auf Eseln reisenden Mönche suchten erste Hinweise. Gewiss, und das lehrte ihn die Erfahrung, standen am Ende des Weges Menschen in all ihrer abgrundtiefen Verderbtheit und weniger ein ziegenfüßiger Teufel. Letzterer wäre ihm sogar willkommener gewesen, da man allein beim Anblick des Antichristen wusste, worauf man sich einließ. Menschen hingegen vermochten es, ihre ganze Verschlagenheit in die Waagschale zu werfen. Sie verstanden zu täuschen, lügen und umgarnen. Während man dich freundlich bediente, wetzte irgendjemand im Hinterzimmer bereits die Klinge. Auf diese Weise trieben die Boshaften ein Spiel, um ihre queren Gedanken in die Tat umzusetzen. Nicht selten blieben dabei die Unschuldigen auf der Strecke. Stephan von Bartholomae zügelte sanft den Strick und sein Reittier kam zum Stehen. Überrascht blickte der jüngere Mönch, deutlich dem Knabenalter entwachsen, zurück, nachdem er das Grummeln des zweiten Grautieres vernommen hatte. Habt ihr etwas entdeckt, mein Herr? Die natürliche Achtung vor dem älteren und wesentlich weiseren Mann gebot die Form der Anrede. Zumal sich der Junge im Noviziat befand und vor seinem endgültigen Gelöbnis zunächst durch die harte Schule des Mönchdaseins im Alltag zu gehen hatte, nebst dem Erlernen von allerlei spiritistischen Gegebenheiten. Seltsam, diese Raben. Wer versteht schon ihre Schliche und die Beweggründe, welche sie antreiben, dieses oder jenes zu unternehmen? Leben unbekümmert in den Tag hinein und verspotten all jene Menschen, die täglich um ihre Existenz ringen. Nutzloses Getier möchte man meinen. Aber sie geben uns oft wichtige Indizien, die unseren wachen Augen andernfalls verborgen blieben. Folgen wir dem Schwarm und sehen, ob unser Interesse an einer bestimmten Sache gleichfalls geweckt wird. Mit sachtem Stupsen in die Flanke gab Stephan dem Esel zu verstehen, dass man die vorhergesehene Route verlassen würde. Der ohnehin schwach ausgeprägte Weg wurde durch einen weitaus weniger genutzten Pfad abgelöst. Ein betrübliches Anzeichen für den praktisch nicht vorhandenen Handelsverkehr in dieser Region. Überhaupt grenzte es an ein Wunder, dass man eine Delegation aus Avignon bis in diesen entlegensten Winkel päpstlichen Einflusses entsandte. Aber die Umstände oder vielmehr der Hilferuf einer Pfarrei verlangten dies eindringlich. Und die unter vorgehaltener Hand kursierenden Gerüchte, dass man vonseiten der Inquisitionsführung seit geraumer Zeit darum bemüht war, Stephan von Bartholomae in seinen Absagen an etwaigen Hexenwerken selbst dem Pakt mit dunklen Mächten zu überführen gedachte. Lediglich die schützende Hand durch den Pontifex persönlich verhinderte bislang ein überstürztes Handeln. Daher schien dieser Auftrag fern der Zivilisation wie ein Geschenk des Himmels. Lief es zweckmäßig, würde der unbequeme Dominikaner bereits auf der Reise den Tod durch Strauchdiebe oder anderen Einflüssen finden. Möglicherweise könnte er sich eine unheilbare Krankheit infolge unhygienischer Zustände vor Ort einfangen oder ein komplizierter Knochenbruch seine Rückreise für immer verhindern. Die Begierde, ihn loszuwerden, schuf selbst ein teuflisches Anliegen und besudelte die hohen Ämter mit Sünde. Das gesprochene Wort, die ausgeführte Tat spielen dem Bösen in die Hände, warnte Stephan stets seinen Schützling, und nicht der Ruf der Unterwelt sorgt für den Bruch mit Gott. Stephan, der unterschwellig von gewissen Ansinnen seine Person betreffend wusste, behielt seinen Weg eisern bei. Gab es keinen Beweis, schickte er keine Frau auf den Scheiterhaufen und keinen Mann an den Galgen. Lediglich ein Dämon als Auftraggeber liefere ein adäquates Schuldbekenntnis, indem er höchstpersönlich vor unser aller Antlitz erscheinen und gestehen möge. Dass solches Antiwunder je geschehen könnte, hielt er für unwahrscheinlich. Der Kirche geriet er damit zum Dorn im Auge. Man wollte verhindern, dass das einfache Volk nachdachte, Schlüsse zog und irgendwann die Maßnahmen infrage stellte. Zusätzlich kamen ihm bei der Beurteilung eines Falles leider oft genug die weltlichen Gerichte in die Quere, welche selten einfühlsam zu Werke gingen und ihre Urteile selbst auf vage Vermutungen hin fällten. Daher blieb offen, ob eine Fügung des Schicksals oder das Erhören düsterer Fürbitten dazu beitrugen, dass der ungeliebte Mönch mehr oder minder in der Nähe in einem Kloster der Zisterzienser verweilte, als der neue Auftrag erteilt und somit zur offiziellen Sache erklärt wurde. Nach der letzten Mission sah Stephan sich zur inneren Ruhe verdammt. Ohnehin war eine unmittelbare Rückkehr in die Niederlassung der Inquisition, der Congregatio Sancti Officii, weniger strebsam, da beständig irgendwelche Anliegen in dämonischen Fragen vorlagen. Als Fass ohne Boden bezeichnete er die Aufgaben seines Ressorts. Dabei lag die Flut an Anschuldigungen weniger im Durchbrechen höllischer Heerscharen begründet, als vielmehr in der Wahnvorstellung, dass es tatsächlich geschehen könnte. Eine gefährliche Entwicklung, welche Denunzierungen zum eigenen Vorteil oder aus reiner Boshaftigkeit heraus Tür und Tor öffneten. Mit und ohne Schnee abwechselnd versehene starke Böen veranlassten die Mönche dazu, ihre Gesichter tiefer in der weiten Kapuze des Obergewandes zu verstecken. Die Kälte dieses Landstrichs wäre erträglicher, würden die schneidenden Winde nicht unbarmherzig an der Haut zerren. Glücklicherweise verfügte man über engmaschige Kutten und erhielt dank des Reittieres zusätzliche Wärme. Dennoch geriet die Reise im amtlichen Auftrag von Stück zu Stück zur Prüfung der…
Leseprobe
Im Jahre des Herren 1554, 03. November Krächzend zog eine beängstigende Anzahl von Raben über die Weite der Ländereien weit östlich der Moldau. Mit ihren harten Schnäbeln verteilten sie leichte Hiebe unter ihresgleichen, wenn etwas gegen den Willen des Individuums lief, und fanden kurz darauf neuen Gefallen an gemeinsamen Unternehmungen. Der Zweckverband der schwarzen Unglücksboten befand sich lediglich auf der Durchreise. Lautstarke Verständigung gab Flugrichtung und Ziel vor, sodass dieser Landstrich schnell seine Ruhe zurückerlangte, nachdem die Meute ihre Aufmerksamkeit gen Norden lenkte. Leichte Schneeverwehungen lagen über stoppeligen Feldern, welche vor wenigen Wochen voll im Korn gestanden hatten. Stellenweise lugten gefrorene Erdklumpen hervor und sorgten für markante Abwechslung in dem Hauch aus Weiß. Kahle Bäume, die am Anfang ihres Winterschlafes standen, säumten den Rain mühsam angelegter Äcker. Diese wiederum bildeten das erste Anzeichen menschlichen Schaffens in einer trübsinnigen Gegend. Das abfällige Urteil erschuf mit Sicherheit eine Ungerechtigkeit, da zur kalten Jahreszeit die meisten ländlichen Gegenden von einer Schwermut überzogen wurden und daher ungastlich wirkten. Und doch hing über diesem Land eine besondere Stimmung, die bedrohlich wirkte. Welche düsteren Mächte hier ein undurchsichtiges Spiel trieben, konnte man auf den ersten Blick nicht erkennen. Dennoch existierten sie, zu jeder Zeit und an jedem Ort. Die wachen Augen des älteren der beiden auf Eseln reisenden Mönche suchten erste Hinweise. Gewiss, und das lehrte ihn die Erfahrung, standen am Ende des Weges Menschen in all ihrer abgrundtiefen Verderbtheit und weniger ein ziegenfüßiger Teufel. Letzterer wäre ihm sogar willkommener gewesen, da man allein beim Anblick des Antichristen wusste, worauf man sich einließ. Menschen hingegen vermochten es, ihre ganze Verschlagenheit in die Waagschale zu werfen. Sie verstanden zu täuschen, lügen und umgarnen. Während man dich freundlich bediente, wetzte irgendjemand im Hinterzimmer bereits die Klinge. Auf diese Weise trieben die Boshaften ein Spiel, um ihre queren Gedanken in die Tat umzusetzen. Nicht selten blieben dabei die Unschuldigen auf der Strecke. Stephan von Bartholomae zügelte sanft den Strick und sein Reittier kam zum Stehen. Überrascht blickte der jüngere Mönch, deutlich dem Knabenalter entwachsen, zurück, nachdem er das Grummeln des zweiten Grautieres vernommen hatte. Habt ihr etwas entdeckt, mein Herr? Die natürliche Achtung vor dem älteren und wesentlich weiseren Mann gebot die Form der Anrede. Zumal sich der Junge im Noviziat befand und vor seinem endgültigen Gelöbnis zunächst durch die harte Schule des Mönchdaseins im Alltag zu gehen hatte, nebst dem Erlernen von allerlei spiritistischen Gegebenheiten. Seltsam, diese Raben. Wer versteht schon ihre Schliche und die Beweggründe, welche sie antreiben, dieses oder jenes zu unternehmen? Leben unbekümmert in den Tag hinein und verspotten all jene Menschen, die täglich um ihre Existenz ringen. Nutzloses Getier möchte man meinen. Aber sie geben uns oft wichtige Indizien, die unseren wachen Augen andernfalls verborgen blieben. Folgen wir dem Schwarm und sehen, ob unser Interesse an einer bestimmten Sache gleichfalls geweckt wird. Mit sachtem Stupsen in die Flanke gab Stephan dem Esel zu verstehen, dass man die vorhergesehene Route verlassen würde. Der ohnehin schwach ausgeprägte Weg wurde durch einen weitaus weniger genutzten Pfad abgelöst. Ein betrübliches Anzeichen für den praktisch nicht vorhandenen Handelsverkehr in dieser Region. Überhaupt grenzte es an ein Wunder, dass man eine Delegation aus Avignon bis in diesen entlegensten Winkel päpstlichen Einflusses entsandte. Aber die Umstände oder vielmehr der Hilferuf einer Pfarrei verlangten dies eindringlich. Und die unter vorgehaltener Hand kursierenden Gerüchte, dass man vonseiten der Inquisitionsführung seit geraumer Zeit darum bemüht war, Stephan von Bartholomae in seinen Absagen an etwaigen Hexenwerken selbst dem Pakt mit dunklen Mächten zu überführen gedachte. Lediglich die schützende Hand durch den Pontifex persönlich verhinderte bislang ein überstürztes Handeln. Daher schien dieser Auftrag fern der Zivilisation wie ein Geschenk des Himmels. Lief es zweckmäßig, würde der unbequeme Dominikaner bereits auf der Reise den Tod durch Strauchdiebe oder anderen Einflüssen finden. Möglicherweise könnte er sich eine unheilbare Krankheit infolge unhygienischer Zustände vor Ort einfangen oder ein komplizierter Knochenbruch seine Rückreise für immer verhindern. Die Begierde, ihn loszuwerden, schuf selbst ein teuflisches Anliegen und besudelte die hohen Ämter mit Sünde. Das gesprochene Wort, die ausgeführte Tat spielen dem Bösen in die Hände, warnte Stephan stets seinen Schützling, und nicht der Ruf der Unterwelt sorgt für den Bruch mit Gott. Stephan, der unterschwellig von gewissen Ansinnen seine Person betreffend wusste, behielt seinen Weg eisern bei. Gab es keinen Beweis, schickte er keine Frau auf den Scheiterhaufen und keinen Mann an den Galgen. Lediglich ein Dämon als Auftraggeber liefere ein adäquates Schuldbekenntnis, indem er höchstpersönlich vor unser aller Antlitz erscheinen und gestehen möge. Dass solches Antiwunder je geschehen könnte, hielt er für unwahrscheinlich. Der Kirche geriet er damit zum Dorn im Auge. Man wollte verhindern, dass das einfache Volk nachdachte, Schlüsse zog und irgendwann die Maßnahmen infrage stellte. Zusätzlich kamen ihm bei der Beurteilung eines Falles leider oft genug die weltlichen Gerichte in die Quere, welche selten einfühlsam zu Werke gingen und ihre Urteile selbst auf vage Vermutungen hin fällten. Daher blieb offen, ob eine Fügung des Schicksals oder das Erhören düsterer Fürbitten dazu beitrugen, dass der ungeliebte Mönch mehr oder minder in der Nähe in einem Kloster der Zisterzienser verweilte, als der neue Auftrag erteilt und somit zur offiziellen Sache erklärt wurde. Nach der letzten Mission sah Stephan sich zur inneren Ruhe verdammt. Ohnehin war eine unmittelbare Rückkehr in die Niederlassung der Inquisition, der Congregatio Sancti Officii, weniger strebsam, da beständig irgendwelche Anliegen in dämonischen Fragen vorlagen. Als Fass ohne Boden bezeichnete er die Aufgaben seines Ressorts. Dabei lag die Flut an Anschuldigungen weniger im Durchbrechen höllischer Heerscharen begründet, als vielmehr in der Wahnvorstellung, dass es tatsächlich geschehen könnte. Eine gefährliche Entwicklung, welche Denunzierungen zum eigenen Vorteil oder aus reiner Boshaftigkeit heraus Tür und Tor öffneten. Mit und ohne Schnee abwechselnd versehene starke Böen veranlassten die Mönche dazu, ihre Gesichter tiefer in der weiten Kapuze des Obergewandes zu verstecken. Die Kälte dieses Landstrichs wäre erträglicher, würden die schneidenden Winde nicht unbarmherzig an der Haut zerren. Glücklicherweise verfügte man über engmaschige Kutten und erhielt dank des Reittieres zusätzliche Wärme. Dennoch geriet die Reise im amtlichen Auftrag von Stück zu Stück zur Prüfung der…
Titel
Schwarzes Blut
Untertitel
Düstere Welten - Band 20
Autor
EAN
9783961274451
Format
E-Book (epub)
Hersteller
Veröffentlichung
21.06.2025
Digitaler Kopierschutz
frei
Dateigrösse
0.14 MB
Anzahl Seiten
96
Auflage
1. Auflage
Lesemotiv
Unerwartete Verzögerung
Ups, ein Fehler ist aufgetreten. Bitte versuchen Sie es später noch einmal.