Jeder Fotograf glaubt, er halte die Welt fest. Dabei bedient er ein System, das sich permanent neu erfindet.
Fotografie ist mehr als Bilderzeugung - sie ist eine Welterschließungsmaschine, die unsere Wahrnehmung grundlegend prägt. Diese kritische Kartografie versammelt 61 Beiträge, die das fotografische Denken für das digitale Zeitalter neu vermessen. Von Benjamins Aura-Verlust über Barthes' Punctum bis zu Flussers technischen Bildern und KI-generierten Realitäten entfaltet sich ein theoretisches Panorama, das weit über die Fotografie hinausreicht.
Sascha Büttner zeigt, wie sich die alten Fragen - Kunst oder Technik? Wahrheit oder Konstruktion? - in der Ära algorithmischer Bildproduktion radikal verschieben. Wenn Computational Photography jeden Smartphone-Nutzer zum unwissenden Komplizen einer Technologie macht, die Realität nicht mehr abbildet, sondern aktiv formt, kollabiert die Unterscheidung zwischen Sehen und Gesehenwerden endgültig.
Die hier versammelten Analysen navigieren durch drei zentrale Entwicklungslinien: erweiterte Indexikalität von optischer bis zu algorithmischer Bildgebung, den paradigmatischen Übergang von Repräsentation zu Operation und die phänomenologische Umwälzung menschlicher Wahrnehmungserfahrung. Dabei verschränken sich Machttheorie, Wahrnehmungsphilosophie und Kulturkritik zu einer konzeptuellen Neuvermessung des Visuellen.
Eine intellektuelle Genealogie, die von Laozis Wu Wei-Philosophie über Foucaults Disziplinaranalysen bis zu Trevor Paglens forensischer KI-Kritik reicht - und dabei enthüllt, wie aus harmlosen Bildermachern Bediener einer globalen Überwachungs- und Kontrollmaschinerie geworden sind.
Wo sämtliche visuelle Äußerungen zu algorithmischen Textfragmenten werden, transformieren sich Fotografien zu modularem Datenmaterial ohne Werkcharakter. Diese Textsammlung dekonstruiert die diskriminierenden Strukturen des Mediums selbst und entwirft eine kritische fotografische Praxis für eine Ära, in der die Maschinerie die Welt nicht nur neu erfindet, sondern ihre Nutzer glauben lässt, sie würden sie bloß abbilden.
Autorentext
Seit mehr als 25 Jahren übt Sascha Büttner die Profession des Coaches sowie des Trainers in der Arbeitswelt aus, ist Taijiquan, Tai Chi und Qigong praktizierender und meditiert seit seinem 14. Lebensjahr. Zudem betätigt er sich als Fotograf, Herausgeber und Autor. Zeit seines Lebens folgt er dem Tao.
Sascha Büttner gründete und betreibt das metalabor, einen der kleinsten, deutschsprachigen Think Tanks.