Er stilisierte sich zum Einzelgänger in der Heide, seine Leserschaft versteht sich bis heute als verschworene Gemeinschaft: Und doch hat es Arno Schmidt zum Klassiker der Moderne gebracht. Bis jetzt aber fehlte noch eine grundlegende Biografie, die auch dem umfangreichen Nachlass gerecht wird. Sven Hanuschek hat eine Fülle neuer Quellen ausfindig gemacht, die einen neuen, umfassenden Blick auf Schmidts Persönlichkeit eröffnen, auch wenn sie damit manch vertraute Mythen entzaubern. Und er hilft bei der Orientierung in einem riesenhaften Werk, das zu den Höhepunkten der deutschen Literatur des 20. Jahrhunderts zählt. Nicht nur Arno Schmidts Gemeinde hat schon lange auf eine solche Biografie gewartet.
Sven Hanuschek, geboren 1964, ist Publizist und Professor am Institut für deutsche Philologie der Ludwig-Maximilians-Universität München. Zuletzt erschien bei Hanser Elias Canetti (Biografie, 2005), bei Zsolnay Laurel und Hardy (Eine Revision, 2010), außerdem ist er einer der Herausgeber von Elias Canettis Briefen, die 2018 unter dem Titel 'Ich erwarte von Ihnen viel' erschienen sind. Er lebt in München.
Sven Hanuschek legt die erste grundlegende Biografie über Arno Schmidt vor mit überraschenden Entdeckungen aus dem Nachlass des Schriftstellers Er stilisierte sich zum Einzelgänger in der Heide, seine Leserschaft versteht sich bis heute als verschworene Gemeinschaft: Und doch hat es Arno Schmidt zum Klassiker der Moderne gebracht. Bis jetzt aber fehlte noch eine grundlegende Biografie, die auch dem umfangreichen Nachlass gerecht wird. Sven Hanuschek hat eine Fülle neuer Quellen ausfindig gemacht, die einen neuen, umfassenden Blick auf Schmidts Persönlichkeit eröffnen, auch wenn sie damit manch vertraute Mythen entzaubern. Und er hilft bei der Orientierung in einem riesenhaften Werk, das zu den Höhepunkten der deutschen Literatur des 20. Jahrhunderts zählt. Nicht nur Arno Schmidts Gemeinde hat schon lange auf eine solche Biografie gewartet.
Die erste grundlegende Biografie über Arno Schmidt Überraschende Entdeckungen aus dem Nachlass Vom Außenseiter zum Klassiker: eine Neubewertung
Autorentext
Sven Hanuschek, geboren 1964, ist Publizist und Professor am Institut für deutsche Philologie der Ludwig-Maximilians-Universität München. Zuletzt erschien bei Hanser Arno Schmidt (Biografie, 2022), bei Zsolnay Laurel und Hardy (Eine Revision, 2010), außerdem ist er einer der Herausgeber von Elias Canettis Briefen, die 2018 unter dem Titel "Ich erwarte von Ihnen viel" erschienen sind. Er lebt in München.
Leseprobe
»Les/bt doch!« Literatur und Leben
Erinnerungen sind ja was sehr Kompliziertes. [...] Nachdem das aufgeschrieben ist, wurde es so wie etwas Geronnenes. Es existiert jetzt als Text, und ich kann wirklich nicht mehr genau sagen, was an dem geschriebenen Text stimmt und was einfach Verdichtung ist oder Verdrängung. Das ist nicht mehr nachvollziehbar ... Und ich glaube, es ist wirklich so etwas Ähnliches wie wenn das Leben als Traum erlebt und erinnert wird. Und wenn Sie einen Traum erzählen, verändern Sie ihn schon. Wenn Sie ihn aufschreiben, verändern Sie ihn nochmal. Und da ist das Resultat schließlich doch Dichtung und Wahrheit [...] Wenn es geschrieben ist, hat es eine Wahrheit, die es vielleicht wirklich gar nicht hatte.
Heiner Müller
Metamorphosen und MetalepsenNunja, der Franzose ist mit abstrusen
Theorien immer gern zur Hand.
Bernd Rauschenbach, »Richtung«
Arno Schmidt ist ein Autor, der in seltener Radikalität für die Literatur gelebt hat; für seine Literatur, aber ebenso für die Literatur anderer: »Alles, was je schrieb, in Liebe und Haß, als immerfort mitlebend zu behandeln« (II, 2, 142), ist das berühmte Zitat aus dem Vorspiel des Essaybandes Dya Na Sore (1958). Deshalb sollen erst einmal einige Fragen nach seinem Literaturbegriff gestellt werden, noch bevor wir mit der Darstellung der Kindheit ins Haus fallen; nicht ganz so ausufernd wie Laurence Sternes Gedanken über die Nasen in der Lebensgeschichte von Tristram Shandy (1759-1767), aber doch mindestens so wichtig für Schmidt. Er war ein Bibliomane, ein Sammler (so hätte einmal sein Roman Das steinerne Herz heißen sollen), ein Leser, für den Literatur das Wichtigste überhaupt war, mitunter vielleicht sogar wichtiger als seine nächsten Mitmenschen. Jörg Drews sah darin eine wesentliche Bindungskraft für Schmidts zeitgenössische Leserinnen und Leser: »Hier war jemand, der von der Literatur und ihrer höchsten Wichtigkeit absolut überzeugt war, der unzweideutig zu seiner Aufgabe stand und sich nirgends anbiederte. Zu einem Zeitpunkt, da immer mehr Autoren durchblicken ließen, Literatur sei eigentlich auch nicht eine so absolut und unzweideutig wichtige Sache und man müsse sich schon auch ein bißchen als flinker Medienbubi präsentieren, um durchzukommen, setzte Arno Schmidt allein auf die Durchsetzungskraft der Sache selbst, seiner Sache: der Literatur.«1
Schmidts Literatur ist bei aller Wiedererkennbarkeit des Tons ein Werk der Metamorphosen - unübersehbar ist das in Zettel's Traum, wo der Begriff einmal fällt, mit dem »Buch der Metamorphosen« ist dort allerdings Edgar Allan Poes Julius Rodman (1840) gemeint (IV, 1, 288). Die Figuren verwandeln sich szenenweise in Pferde, Pilze, Bäume und anderes, die Landschaft kann sich verwandeln, weil eine der Figuren Hunger hat und in jedem Kuhstall eine Imbissbude sieht. 'Verwandlung' kann hier auch in der Tradition der Theatermaschinerie gemeint sein: »Fantasiekostüme, Scheinwerfereffekte, Rampenlichter, Verwandlungen=&=Versenkungen - DIE SCENE VERWANDELT SICH!« (IV, 1, 42). Poe, der ja ein Haupt-Gegenstand des Buches ist, kannte als dreijähriger Sohn einer Schauspielerin das Theater, für ihn war das die produktive Erfahrung schlechthin für all seine Bild-Phantasien. Metamorphosen, Verwandlungen, gehen durch das ganze Werk von Schmidt hindurch, angefangen von den zu Lebzeiten nicht veröffentlichten Juvenilia, die ganz offen der phantastischen Literatur der Romantik verpflichtet sind. Im Fortgang gibt es Metamorphosen von Ich-Erzählern, phantastische Ereignisse, Elementargeister (mal mehr, mal weniger offensichtlich markiert), es gibt unzuverlässi