Wer ist das hübsche Mädchen, das Charles Vance immer wieder in seinen Alpträumen sieht? Und wer sind die furchtbaren Monster, die dieses Mädchen auf grausamste Weise quälen? Und dann wird Charles Vance immer mehr in die Alptraumwelt hineingezogen. Realität und Illusion sind nicht mehr zu unterscheiden. Und wenn er das Mädchen dort retten will, muss er zum Kämpfer für das Gute werden und Zaator, den bösen Dämon der Unterwelt bezwingen. Doch sein Gegner scheint unüberwindbar . . .

Leseprobe
Charles Vance schreckte hoch. Gesicht und Körper waren schweißüberströmt. Mit zitternden Fingern tastete er zu der kleinen Lampe auf seinem Nachttisch. Das sanfte Licht beruhigte seine aufgepeitschten Nerven. Er warf einen Blick auf die Armbanduhr. »Vier Uhr«, murmelte er leise. »Immer zur selben Zeit habe ich diesen schrecklichen Alptraum. Und er dauert nun schon seit fünf Tagen an. Genau so lange, wie ich mich in diesem Hause aufhalte.« Charles Vance fuhr sich über das männlich wirkende Kinn. Seine blauen Augen blickten noch leicht verstört. Mit mechanischer Geste schob er sich eine Strähne seines dunkelblonden Haares aus der Stirn. Er nahm ein Glas Wasser von dem kleinen Tisch und trank hastig einige Schlucke. Der Schlafanzug klebte ihm am Körper, als er aus dem Bett sprang und mit nervösen Schritten zum Fenster lief. Die bleiche Scheibe des Mondes stand am nächtlichen Himmel. Kalt und klar funkelten die Sterne. Der Wind bauschte die Gardinen auf, als Charles Vance das Fenster öffnete. Von irgendwoher kam der klagende Ruf eines Käuzchens. Sturmwind rauschte in den Bäumen und Büschen, die das große Haus umgaben. Einige hundert Meter weiter begann schon die Moorlandschaft, die das einsame Haus umgab. Vance schloss das Fenster, zog einen frischen Schlafanzug an und schenkte sich einen Whisky ein. Der hochprozentige Alkohol beruhigte etwas seine Nerven. Der hagere Mann ließ sich auf die Bettkante nieder und stützte den Kopf in die Hände. Seit fünf Tagen befand er sich in der schottischen Einöde, hatte gehofft, seinen Roman hier beenden zu können. Doch schon in der ersten Nacht hatte er diesen furchtbaren Alptraum erlebt, der sich nun ständig wiederholte. Tabletten und Schlafmittel, sogar Alkohol, hatten nichts genützt. Immer wieder erlebte er das furchtbare Geschehen in der großen Höhle, sah die vermummten Gestalten und den zuckenden Körper des jungen Mädchens, das zum Altar geschleppt wurde. Charles Vance erhob sich. Nervös lief er in dem geräumigen Schlafzimmer auf und ab. »Vielleicht bin ich im Begriff, überzuschnappen«, murmelte er leise. »Das gibt es doch einfach nicht. Ich bin schließlich ein durch und durch nüchterner Mensch. Möchte nur wissen, was dieser gräuliche Spuk zu bedeuten hat?« Der hagere Mann, der ungefähr fünfunddreißig Jahre alt war, schenkte sich nochmals einen Schluck des goldbraunen Whiskys ein. Dann stellte er das leere Glas zur Seite, löschte die Nachttischlampe und kroch wieder unter die Decke. Charles hatte die Arme im Nacken verschränkt und starrte zur Zimmerdecke empor. Ein paar bleiche Strahlen des Mondlichts sickerten zum Fenster herein und zeichneten bizarre Figuren auf die Einrichtungsgegenstände. Mit Schaudern dachte Vance daran, dass er das Haus für vier Wochen gemietet hatte. Und bis zur nächsten Ortschaft waren es ungefähr dreißig Meilen durch die unwegsame Moorlandschaft. »Ich werde schon morgen eine Fliege machen«, sagte Charles Vance leise. »Keine zehn Pferde halten mich mehr. Hier scheint es zu spuken.« Kalte Schauer liefen ihm über den Körper. Seine Haut prickelte, als würden tausende von Ameisen über seinen Körper laufen. Sein Herz schlug jäh schneller. Charles Vance hatte das Gefühl, als versuchte eine eiskalte Hand, ihm das Herz aus der Brust zu reißen. Sein Atem ging keuchend. Eine dicke Ader pulsierte auf der Stirn. Die Augen traten ihm fast aus den Höhlen. Sekunden vergingen, dann konnte Charles Vance wieder normal atmen. Er schloss die Augen, doch er erblickte nur sofort wieder die große Höhle mit den Vermummten vor sich. Er glaubte das vor Entsetzen verzogene Gesicht des jungen Mädchens greifbar nahe zu sehen. Vances Oberkörper ruckte hoch. Irgendwo im Haus knackte es. Draußen schrie erneut das Käuzchen. Charles Vance zitterte am ganzen Körper. Seine Hand tastete zur Whiskyflasche, die er dann an die Lippen setzte, um einen großen Schluck zu nehmen. Langsam wich das Grauen von ihm. Morgen würde er das Haus verlassen. Sein Entschluss stand fest. * Die Sonne blinzelte durch die schnell jagenden Wolken, die am Morgen den Himmel bedeckten. Tautropfen blinkten wie Diamanten auf den Blättern der Bäume und Büsche. Charles Vance fühlte sich wie gerädert, als er erwachte. Sein Gesicht war bleich. Mit einem kratzenden Geräusch fuhr er sich über das unrasierte Kinn. Er versuchte die düstere Erinnerung an dem nächtlichen Traum abzustreifen, sprang aus dem Bett und öffnete die Fensterflügel. Draußen erkannte er James Riders, den Butler, der sich mit dem Zimmermädchen Georgia unterhielt. Außer den beiden gab es noch eine ältere Frau namens Helen Brown, deren Tätigkeitsfeld die Küche war. Charles, der hier Ruhe und Einsamkeit gesucht hatte, verspürte das jähe Gefühl, unter Menschen zu wollen. Schneller als sonst beendete er seine Toilette und ging in den Frühstücksraum hinunter, wo er vom Butler bereits erwartet wurde. »Guten Morgen, James«, sagte Charles Vance. Der ungefähr fünfzigjährige Butler verneigte sich steif. Charles wurde den Eindruck nicht los, dass er einen Besenstiel verschluckt haben musste. »Good Moming, Sir«, erwiderte James Riders. »Haben Sie heute besondere Wünsche, oder kann Georgia das Frühstück bringen?« »Wie immer, James«, nickte der hagere Mann. »Haben Sie gut geschlafen, Sir?« fragte er und verzog keine Miene. Sein rundliches Gesicht mit den aufgeplusterten Wangen erinnerte Charles an einen Posaunenengel. »Ich hatte schon wieder diesen schrecklichen Traum«, entgegnete Vance. »Ich halte es hier nicht mehr aus, möchte Sie bitten, dass Sie anschließend sofort zur nächsten Ortschaft telefonieren, damit man mich abholt.« James Riders runzelte die Stirn, doch dann nickte er. »Wie Sie befehlen, Sir. Allerdings möchte ich darauf aufmerksam machen, dass Sie das Haus für vier Wochen gemietet haben und auch für diesen Zeitraum bezahlen müssen.« »Okay, okay«, sagte Charles Vance. »Ist mir schon klar. Aber hier halte ich es nicht länger aus, ohne verrückt zu werden.« Der Butler verneigte sich steif und ging mit gemessenen Schritten davon. Charles musste grinsen, dann lächelte er noch mehr, als Georgia herein huschte. Das Kleid umschmiegte den formvollendeten Körper wie eine zweite Haut. Die schwarze Pagenfrisur gab dem jungen Mädchen etwas Kokettes. Die vollen Lippen lächelten freundlich. Sie machte einen artigen Knicks und begann zu servieren. Charles musste sich sehr beherrschen, um ihr nicht einen Klaps auf das wohlgerundete Hinterteil zu geben. »Gut geschlafen?« fragte er das Mädchen, das ihn aus unergründlichen Augen ansah. »O ja, Sir«, antwortete sie. Ihre Stimme klang leicht rauchig und vielversprechend. »Ich hoffe doch, dass auch Sie gut geschlafen haben, Sir?« fragte sie. Charles winkte ab. Ihm fiel wieder der Traum ein, der jede Nacht zu einem schrecklichen Erlebnis werden ließ. »Einen guten Appetit, Sir«, sagte Georgia. »Sollten Sie noch Wünsche haben, dann läuten Sie bitte!« Georgia eilte davon. Vance sah ihr nach. Sein Blick hatte sich an den schlanken Beinen festgesaugt, die überhaupt kein Ende nehmen wollten. Der hagere Mann seufzte tief und machte sich dann über sein Frühstück her. Es schmeckte ihm ausgezeichnet. Nach einer halben Stunde schob er den leeren Teller zurück und zündete sich eine Zigarette an. Der Butler glitt ins Zimmer. Seine Stirn hatte sich in Falten .gelegt. Charles ahnte schon, dass etwas Unangenehmes auf ihn zukommen würde. Er drückte die halb gerauchte Zigarette im Aschenbecher aus. »Tut mir leid, Sir«, sagte James. »Ich habe keine Verbindung mit Warriage bekommen…
Titel
Die Hexe aus dem Moor
Untertitel
Horrorkabinett - Band 7
EAN
9783961273607
Format
E-Book (epub)
Altersempfehlung
ab 16 Jahre
Hersteller
Veröffentlichung
27.01.2024
Digitaler Kopierschutz
frei
Dateigrösse
1.18 MB
Anzahl Seiten
96
Auflage
1. Auflage
Lesemotiv