Viele Bundesländer haben zu Beginn des 21. Jahrhunderts einschneidende Reformen der gymnasialen Oberstufe vorgenommen, die u.a. die Unterscheidung von Grund- und Leistungskursen nivellieren, die Zahl der Prüfungsfächer im Abitur heraufsetzen und die Wahlfreiheiten der Oberstufenschülerinnen und -schüler beschneiden. Diese Veränderungen sind nicht unumstritten. Während sich Befürworter eine stärkere Standardisierung, höhere Schülerleistungen und eine Verringerung von Leistungsunterschieden erhoffen, sprechen Kritiker von einer Restauration der alten Gymnasialtypen und bezweifeln, dass die Reformen die gewünschten Ergebnisse erbringen werden. Baden-Württemberg spielte eine Vorreiterrolle bei der Neuordnung des Abiturs. Im vorliegenden Band werden die Konsequenzen der Reform in diesem Bundesland systematisch analysiert. Die Autoren konnten sich dabei auf Daten der Schulleistungsstudie TOSCA-Repeat des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung mit insgesamt fast 10.000 Abiturienten stützen, die vor bzw. nach der Neuordnung des Abiturs untersucht wurden. Die Befunde sind von großer Bedeutung für Wissenschaft, Politik und interessierte Öffentlichkeit in allen 16 Bundesländern.
Die neugeordnete gymnasiale Oberstufe auf dem Prüfstand
Vorwort
Die neugeordnete gymnasiale Oberstufe auf dem Prüfstand
Autorentext
Dr. Ulrich Trautwein ist Professor für Empirische Bildungsforschung an der Eberhard Karls Universität Tübingen.
Dr. Marko Neumann ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung Berlin.
Dr. Gabriel Nagy war wissenschaftlicher Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung Berlin und ist jetzt Juniorprofessor für Empirische Bildungsforschung an der Eberhard Karls Universität Tübingen.
Dr. Oliver Lüdtke ist Professor für Pädagogische Psychologie an der Eberhard Karls Universität Tübingen.
Dr. habil. Kai Maaz ist Forschungsgruppenleiter am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung Berlin.
Zusammenfassung
Im deutschen Bildungswesen bildet die gymnasiale Oberstufe die Brücke zwischen allgeme- bildender Schule und den Hochschulen. Obschon es inzwischen einige alternative Wege in die Hochschule gibt, stellt der Erwerb des Abiturs auf dem Gymnasium noch immer die weitaus wichtigste Form der Studienzugangsberechtigung dar. Allein schon aus diesem Grund ist es v- ständlich, dass Struktur, Organisation und Qualität der gymnasialen Oberstufe und die von ihren Absolventen erbrachten Leistungen in zyklischen Abständen zentrales T ema bildungspolitischer und ö? entlicher Debatten waren und sind. Die gegenwärtig in vielen Bundesländern beschlossenen und teilweise bereits wirksam gew- denen einschneidenden Reformen der gymnasialen Oberstufe, die unter anderem die Untersch- dung von Grund- und Leistungskursen nivellieren bzw. aufheben, die Zahl der Prüfungsfächer im Abitur heraufsetzen und Wahlfreiheiten für die Oberstufenschülerinnen und -schüler beschneiden, vollziehen sich demgegenüber erstaunlich geräuschlos. Möglich wurden die tiefen Eingri? e in das Kurssystem durch die Husumer Vereinbarung der Kultusministerkonferenz zur gymnasialen Oberstufe vom 22. Oktober 1999, mit der den Ländern der Weg zur (Wieder-)Einführung stärker kanonförmiger Oberstufenmodelle, wie man sie in Deutschland bereits vor der großen Obers- fenreform von 1972 kannte, geebnet wurde. Die wesentliche Zielsetzung der Neuausrichtung wird in der Stärkung und Vereinheitlichung der Kompetenzen der Abiturienten in den tradi- onellen Kernbereichen des Gymnasiums Deutsch, Mathematik und Fremdsprachen sowie einer stärkeren Betonung der Naturwissenschaften gesehen. In einigen Ländern spielten zudem die zum Teil stark rückläu? gen Schülerzahlen eine wichtige Rolle für die Umstrukturierungen im Kurssystem.
Inhalt
Institutionelle Reform und individuelle Entwicklung: Hintergrund und Fragestellungen der Studie TOSCA-Repeat.- Innovation oder Restauration Die (Rück-?)Reform der gymnasialen Oberstufe in Baden-Württemberg.- Durchführung und methodische Grundlagen.- Die neu geordnete Oberstufe: Die Sicht von Abiturienten, Eltern, Schul- und Fachleitern.- Schulbiografien, familiärer Hintergrund und kognitive Eingangsvoraussetzungen im Kohortenvergleich.- Voruniversitäre Mathematikleistungen vor und nach der Neuordnung der gymnasialen Oberstufe in Baden-Württemberg.- Fremdsprachenkenntnisse in Englisch vor und nach der Neuordnung der gymnasialen Oberstufe in Baden-Württemberg.- Mathematische und naturwissenschaftliche Grundbildung vor und nach der Neuordnung der gymnasialen Oberstufe in Baden-Württemberg.- Aspekte von Wissenschaftspropädeutik.- Die neu geordnete gymnasiale Oberstufe auf dem Prüfstand: Ein Zwischenresümee.- Psychometrische Aspekte des Tests zu den voruniversitären Mathematikleistungen in TOSCA-2002 und TOSCA-2006: Unterrichtsvalidität, Rasch-Homogenität und Messäquivalenz.