Uri Orlev, geb. 1931 in Warschau, lebt seit 1945 in Israel, heute in Jerusalem. Er ist einer der renommiertesten israelischen Kinderbuchautoren und wurde für sein Gesamtwerk mit dem Hans-Christian-Andersen-Preis ausgezeichnet. Mirjam Pressler (1940 - 2019) lebte bis zu ihrem Tod in Landshut. Sie gehört zu den bekanntesten Kinder- und Jugendbuchautoren und hat mehr als 30 eigene Kinder- und Jugendbücher verfasst, darunter »Bitterschokolade« (Oldenburger Jugendbuchpreis), »Wenn das Glück kommt, muss man ihm einen Stuhl hinstellen« (Deutschen Jugendliteraturpreis), »Malka Mai« (Deutscher Bücherpreis) »Nathan und seine Kinder«,»Ich bin's Kitty. Aus dem Leben einer Katze« und zuletzt »Dunkles Gold« sowie die Lebensgeschichte der Anne Frank »Ich sehne mich so«. Außerdem übersetze sie viele Bücher aus dem Niederländischen, Englischen und Hebräischen. Für ihre »Verdienste an der deutschen Sprache« wurde sie 2001 mit der Carl-Zuckmayer-Medaille ausgezeichnet, für ihr Gesamtwerk als Übersetzerin mit dem Sonderpreis des Deutschen Jugendliteraturpreises und für ihr Gesamtwerk als Autorin und Übersetzerin 2004 mit dem Deutschen Bücherpreis, der Corine und der Buber-Rosenzweig-Medaille sowie mit dem Friedenspreis der Geschwister Korn und Gerstenmann-Stiftung.
Autorentext
Uri Orlev, geboren 1931 in Warschau, wurde 1943 in das Konzentrationslager Bergen-Belsen deportiert, Mit einem Kindertransport kam er 1945 nach Israel. Lange Jahre lebte er in einem Kibbuz und zuletzt in Jerusalem, wo er am 26.7.2022 starb. Orlev ist einer der renommiertesten israelischen Kinderbuchautoren. Zu seinen bekanntesten Romanen gehören »Die Bleisoldaten« und »Lauf, Junge, Lauf«, das in mehr als 25 Sprachen übersetzt und erfolgreich verfilmt wurde. Für sein Gesamtwerk wurde er mit dem Hans-Christian-Andersen-Preis ausgezeichnet. »Uri Orlevs Bücher sind eine Ode auf das Leben und die Menschlichkeit.« (Süddeutsche Zeitung) Mirjam Pressler (1940 - 2019) lebte bis zu ihrem Tod in Landshut. Sie gehört zu den bekanntesten Kinder- und Jugendbuchautoren und hat mehr als 30 eigene Kinder- und Jugendbücher verfasst, darunter »Bitterschokolade« (Oldenburger Jugendbuchpreis), »Wenn das Glück kommt, muss man ihm einen Stuhl hinstellen« (Deutschen Jugendliteraturpreis), »Malka Mai« (Deutscher Bücherpreis) »Nathan und seine Kinder«,»Ich bin's Kitty. Aus dem Leben einer Katze« und zuletzt »Dunkles Gold« sowie die Lebensgeschichte der Anne Frank »Ich sehne mich so«. Außerdem übersetze sie viele Bücher aus dem Niederländischen, Englischen und Hebräischen. Für ihre »Verdienste an der deutschen Sprache« wurde sie 2001 mit der Carl-Zuckmayer-Medaille ausgezeichnet, für ihr Gesamtwerk als Übersetzerin mit dem Sonderpreis des Deutschen Jugendliteraturpreises und für ihr Gesamtwerk als Autorin und Übersetzerin 2004 mit dem Deutschen Bücherpreis, der Corine und der Buber-Rosenzweig-Medaille sowie mit dem Friedenspreis der Geschwister Korn und Gerstenmann-Stiftung.
Leseprobe
2 Kannst du klauen?
Rühr dich nicht, Junge. Ich bringe dich hier weg
Srulik war ein sehr schneller Junge mit langen Beinen. Er hatte Fußballspielen schon in ihrem kleinen, schlammigen Ghetto in B?onie gelernt. Auch der Ball, eine mit Lappen umwickelte Dose, war ihm nichts Neues. Sie waren acht und er war der Neunte. Damit Srulik mitspielen konnte, teilten sich die Jungen erneut auf. Ein Junge verließ die Gruppe und setzte sich auf eine Treppe. Dieser Junge trug das sehr große, abgerissene Jackett eines Erwachsenen, obwohl es jetzt, in diesen späten Nachmittagsstunden, sehr heiß war und das schwere Jackett ihn bestimmt beim Spielen störte. Nach einiger Zeit hörten die Jungen zu spielen auf und begannen zu tuscheln, wobei sie immer wieder zu Srulik hinüberschauten. Dann versammelten sie sich um ihn herum und betrachteten ihn aufmerksam. »Er ist schmal und dünn«, sagte der große Junge. »Er ist geeignet«, sagte ein anderer Junge. »Wozu bin ich geeignet?«, fragte Srulik. »Hast du Hunger?«, fragte ihn der große Junge. »Ja«, sagte Srulik, der für kurze Zeit seinen Hunger vergessen hatte. »Mojschele, gib ihm was«, sagte der große Junge zu dem Jungen mit dem Jackett. Jetzt sah Srulik, dass die Jackentaschen prall gefüllt waren. Mojschele schaute schnell nach rechts und links, und als er niemanden sah, zog er aus einer der Taschen eine Wurst und aus einer anderen ein Taschenmesser. Er schnitt eine dicke Scheibe ab und gab sie Srulik. Eine solche Delikatesse hatte er schon lange nicht mehr gegessen. »Komm mit uns! Und wenn es dunkel wird, helfen wir dir durch ein kleines Fenster in einen Laden, in dem es solche Würste gibt. Das Fenster ist so klein, dass sich keiner von uns durchquetschen kann, aber du könntest es vielleicht schaffen. Kannst du klauen?« Srulik zuckte mit den Schultern. Er konnte klauen. Für so eine Wurst war er bereit, alles zu tun. »Gib mir noch ein Stück«, bat er. »Jankiel, soll ich?« »Gib ihm«, sagte der große Junge. Die Jungen setzten das Spiel fort, bis sich die Dämmerung über das Ghetto senkte. Sie versteckten den »Ball« hinter einem Haufen Gerümpel und machten sich auf den Weg. Geschickt rannten sie zwischen den vielen Menschen auf der Straße hindurch. Schließlich erreichten sie einen zugemauerten Eingang und setzten sich hin. Sie warteten auf die Sperrstunde, die bald einsetzen würde. Das merkte man daran, dass sich die Straßen leerten. Mojschele, der Herr der gefüllten Taschen, zog wieder die Wurst und das Messer heraus und schnitt für jeden eine dicke Scheibe ab. Nach dem Essen brachte er Zigaretten und Streichhölzer zum Vorschein, schnitt jede Zigarette in der Mitte durch und verteilte die Hälften mit bedeutungsvoller Gebärde. Die beiden große Jungen bekamen jeder eine ganze Zigarette. »Rauchst du?«, fragte er Srulik. »Nein.« »Du musst, damit du zur Clique gehörst.« Sein ältester Bruder hatte ihn schon einmal überredet, einen Zug zu nehmen, als er eine Zigarette ergattert hatte. Der Zug hatte bitter geschmeckt und Srulik hatte gehustet und war fast erstickt. »Nein, ich will nicht.« »Lass ihn in Ruhe«, sagte Jankiel. Ein gut angezogener Mann überquerte vor ihnen die Straße, blieb stehen, betrachtete sie und rief: »Strolche!« »Mein Herr, bitte eine kleine Gabe, wir haben Hunger«, bat einer der Jungen.