Lange Zeit war er beinahe in Vergessenheit geraten, erst in den letzten 50 Jahren ist er wiederentdeckt worden: Lorenz von Stein (1815-1890), einer der bedeutendsten Verwaltungs- und Sozialwissenschaftler des 19. Jahrhunderts. Geboren in Borby, Schüler in Eckernförde und Flensburg, Student der Philosophie und Rechtswissenschaft an der Kieler Universität - Stein, der als einer der Gründungsväter der Soziologie bezeichnet werden kann, ist ein echter 'norddeutscher Jung'. Als einer der ersten Deutschen befasste Lorenz von Stein sich mit dem französischen Sozialismus und Kommunismus und setzte damit Impulse für die Politik in Deutschland, etwa für Bismarck - Impulse, die noch heute von Bedeutung sind. Er engagierte sich politisch, verlor seinen Lehrstuhl in Kiel und wurde später von Wien aus ein auch international beachteter Verwaltungsjurist. Utz Schliesky und Jan Schlürmann zeigen in dieser Biografie dieses großen Norddeutschen dessen gewaltiges Lebenswerk auf, sein Wirken und sein Nachwirken - bis heute. Kompakt, informativ und prägnant.
Prof. Dr. Utz Schliesky, geboren 1966, ist Rechtswissenschaftler, seit 2009 Direktor des Schleswig-Holsteinischen Landtages. Er ist zugleich Geschäftsführender Vorstand des Lorenz-von-Stein-Instituts an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Dr. Jan Schlürmann, geboren 1974, ist Historiker. Seit 2010 ist er Referent im Schleswig-Holsteinischen Landtag.
Autorentext
Dr. Jan Schlürmann, geb. 1974, Historiker, seit 2010 Referent im Schleswig-Holsteinischen Landtag. Bisher bei Wachholtz erschienen: »Lorenz von Stein« (gemeinsam mit Utz Schliesky) »Schleswig-Holstein« (Hrsg., gemeinsam mit Daniel Günther und Utz Schliesky)
Leseprobe
I Das Leben
von Jan Schlürmann
1 Der Schüler: Eckernförde und Flensburg 1815 - 1835
Lorenz von Steins Herkunft und Familie
"Zwischen Borby und Wien" - von einem kleinen Dorf bei Eckernförde in die Hauptstadt Österreich-Ungarns, das sind die beiden ganz unterschiedlichen geografischen Eckpunkte des Lebens von Lorenz von Stein. Nichts deutete bei seiner Geburt am 15. November 1815 auf die außergewöhnliche Karriere hin, die den unehelich geborenen Eckernförder rund acht Jahrzehnte später zu einem der meistgelesenen Verwaltungs- und Sozialwissenschaftler Europas werden ließ.
Mit diesem Lebensweg änderte sich auch der Name Lorenz von Steins. Noch im Taufregister wurde der Neugeborene als "Wasmer Jakob Lorentz" eingetragen. Lorentz, mit einem "t", war demnach eigentlich der Familienname des jungen Täuflings, nicht sein Vorname. Diese Eigentümlichkeit erklärt sich aus der unklaren Vaterschaft des Jungen. Offiziell gab die Mutter, Anna Juliana Elisabeth Helms aus einer alteingesessenen Eckernförder Familie, einen "Kaufmann aus Berlin" mit Nachnamen "Lorentz" als Vater an. Inoffiziell war allgemein bekannt, dass Anna Juliana Elisabeth Helms bis 1815 bereits sechs Töchter geboren hatte, von denen zwei schon kurz nach der Geburt verstarben. Als Vater hatte sie zumindest für drei der Kinder den aus Leipzig stammenden und in dänische Dienste getretenen Unteroffizier Carl Friedrich Stein als Vater angegeben, den sie allerdings erst 1803 - fünf beziehungsweise drei Jahre nach der Geburt ihrer ersten Tochter - heiratete. Das fünfte Kind, das 1809 geboren wurde, hatte gemäß Taufregister einen "Seefahrer aus Kiel" zum Vater; zu diesem Zeitpunkt war die Ehe mit Carl Friedrich Stein bereits zerrüttet und der Ehemann, aus dem Militärdienst entlassen, ins Ausland gegangen, wo er 1815 verstarb. Die sechste Tochter schließlich, 1814 geboren, hatte einen gewissen "Anton von Remsaw" zum Vater, ein Name, der auch bei Lorenz von Steins Geburt in einem zum Taufregister parallel geführten Protokollbuch vermerkt ist. Hinter diesem Namen verbarg sich der langjährige Geliebte der verwitweten Anna Julia Elisabeth Stein geb. Helms, der Offizier Lorentz Jacob von Wasmer. Die schlichte Umstellung der Buchstaben seines Nachnamens (Wasmer _ Remsaw) sowie die Taufe des jungen Lorenz von Stein auf den Namen Wasmer Jakob ebenso wie der Taufname des letzten, 1817 von Anna Juliana Elisabeth geborenen Kindes, Julius Wasmer, lassen den Schluss zu, dass der in Eckernförde stationierte Oberstleutnant von Wasmer der Vater der seit 1814 geborenen drei Kinder der Witwe Stein und damit auch der Vater von Lorenz von Stein gewesen ist, zumal er sowohl für "Wasmer Jakob Lorentz" als auch für "Wasmer Jakob" als offizieller Taufpate auftrat. Wasmer selbst war seit 1789 mit Sophia Henningia von Brockdorff verheiratet. Beide gingen aber um 1805 getrennte Wege, ohne dass eine offizielle Ehescheidung stattgefunden hätte.
Diese durchaus verworrenen Familienverhältnisse waren gewiss nicht die Regel im beginnenden 19. Jahrhundert, aber auch nicht gerade selten. Die unruhigen, von Krieg und Krisen gekennzeichneten Jahre zwischen 1801 und 1815 erschütterten die traditionellen Bande vieler Familien und vielfach auch die engen moralischen Regeln der Friedenszeit. Überall waren während der napoleonischen Kriege Soldaten unterwegs, knüpften meist kurzlebige Kontakte zu Frauen und zeugten Kinder. Die Anhänglichkeit, die der bereits verheiratete Oberstleutnant von Wasmer der Witwe Stein und den von ihm gezeugten Kindern gegenüber zeigte, bewies wiederum, dass auch vor dem Hintergrund einstürzender Moralvorstellungen damals Verantwortungsbewusstsein und Liebe dauerhafte Verbindungen jenseits der Ehe stiften konnten. Denn obgleich er sein Verhältnis zur Mutter niemals legalisierte, kümmerte sich Lorentz Jacob von Wasmer nach Kräften um seine Kinder. Als pensionierter Offizier hatte er sich 1816 i
Prof. Dr. Utz Schliesky, geboren 1966, ist Rechtswissenschaftler, seit 2009 Direktor des Schleswig-Holsteinischen Landtages. Er ist zugleich Geschäftsführender Vorstand des Lorenz-von-Stein-Instituts an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Dr. Jan Schlürmann, geboren 1974, ist Historiker. Seit 2010 ist er Referent im Schleswig-Holsteinischen Landtag.
Autorentext
Dr. Jan Schlürmann, geb. 1974, Historiker, seit 2010 Referent im Schleswig-Holsteinischen Landtag. Bisher bei Wachholtz erschienen: »Lorenz von Stein« (gemeinsam mit Utz Schliesky) »Schleswig-Holstein« (Hrsg., gemeinsam mit Daniel Günther und Utz Schliesky)
Leseprobe
I Das Leben
von Jan Schlürmann
1 Der Schüler: Eckernförde und Flensburg 1815 - 1835
Lorenz von Steins Herkunft und Familie
"Zwischen Borby und Wien" - von einem kleinen Dorf bei Eckernförde in die Hauptstadt Österreich-Ungarns, das sind die beiden ganz unterschiedlichen geografischen Eckpunkte des Lebens von Lorenz von Stein. Nichts deutete bei seiner Geburt am 15. November 1815 auf die außergewöhnliche Karriere hin, die den unehelich geborenen Eckernförder rund acht Jahrzehnte später zu einem der meistgelesenen Verwaltungs- und Sozialwissenschaftler Europas werden ließ.
Mit diesem Lebensweg änderte sich auch der Name Lorenz von Steins. Noch im Taufregister wurde der Neugeborene als "Wasmer Jakob Lorentz" eingetragen. Lorentz, mit einem "t", war demnach eigentlich der Familienname des jungen Täuflings, nicht sein Vorname. Diese Eigentümlichkeit erklärt sich aus der unklaren Vaterschaft des Jungen. Offiziell gab die Mutter, Anna Juliana Elisabeth Helms aus einer alteingesessenen Eckernförder Familie, einen "Kaufmann aus Berlin" mit Nachnamen "Lorentz" als Vater an. Inoffiziell war allgemein bekannt, dass Anna Juliana Elisabeth Helms bis 1815 bereits sechs Töchter geboren hatte, von denen zwei schon kurz nach der Geburt verstarben. Als Vater hatte sie zumindest für drei der Kinder den aus Leipzig stammenden und in dänische Dienste getretenen Unteroffizier Carl Friedrich Stein als Vater angegeben, den sie allerdings erst 1803 - fünf beziehungsweise drei Jahre nach der Geburt ihrer ersten Tochter - heiratete. Das fünfte Kind, das 1809 geboren wurde, hatte gemäß Taufregister einen "Seefahrer aus Kiel" zum Vater; zu diesem Zeitpunkt war die Ehe mit Carl Friedrich Stein bereits zerrüttet und der Ehemann, aus dem Militärdienst entlassen, ins Ausland gegangen, wo er 1815 verstarb. Die sechste Tochter schließlich, 1814 geboren, hatte einen gewissen "Anton von Remsaw" zum Vater, ein Name, der auch bei Lorenz von Steins Geburt in einem zum Taufregister parallel geführten Protokollbuch vermerkt ist. Hinter diesem Namen verbarg sich der langjährige Geliebte der verwitweten Anna Julia Elisabeth Stein geb. Helms, der Offizier Lorentz Jacob von Wasmer. Die schlichte Umstellung der Buchstaben seines Nachnamens (Wasmer _ Remsaw) sowie die Taufe des jungen Lorenz von Stein auf den Namen Wasmer Jakob ebenso wie der Taufname des letzten, 1817 von Anna Juliana Elisabeth geborenen Kindes, Julius Wasmer, lassen den Schluss zu, dass der in Eckernförde stationierte Oberstleutnant von Wasmer der Vater der seit 1814 geborenen drei Kinder der Witwe Stein und damit auch der Vater von Lorenz von Stein gewesen ist, zumal er sowohl für "Wasmer Jakob Lorentz" als auch für "Wasmer Jakob" als offizieller Taufpate auftrat. Wasmer selbst war seit 1789 mit Sophia Henningia von Brockdorff verheiratet. Beide gingen aber um 1805 getrennte Wege, ohne dass eine offizielle Ehescheidung stattgefunden hätte.
Diese durchaus verworrenen Familienverhältnisse waren gewiss nicht die Regel im beginnenden 19. Jahrhundert, aber auch nicht gerade selten. Die unruhigen, von Krieg und Krisen gekennzeichneten Jahre zwischen 1801 und 1815 erschütterten die traditionellen Bande vieler Familien und vielfach auch die engen moralischen Regeln der Friedenszeit. Überall waren während der napoleonischen Kriege Soldaten unterwegs, knüpften meist kurzlebige Kontakte zu Frauen und zeugten Kinder. Die Anhänglichkeit, die der bereits verheiratete Oberstleutnant von Wasmer der Witwe Stein und den von ihm gezeugten Kindern gegenüber zeigte, bewies wiederum, dass auch vor dem Hintergrund einstürzender Moralvorstellungen damals Verantwortungsbewusstsein und Liebe dauerhafte Verbindungen jenseits der Ehe stiften konnten. Denn obgleich er sein Verhältnis zur Mutter niemals legalisierte, kümmerte sich Lorentz Jacob von Wasmer nach Kräften um seine Kinder. Als pensionierter Offizier hatte er sich 1816 i
Titel
Lorenz von Stein
Untertitel
Leben und Werk zwischen Borby und Wien
Autor
EAN
9783529092244
ISBN
978-3-529-09224-4
Format
E-Book (epub)
Hersteller
Herausgeber
Veröffentlichung
04.11.2015
Digitaler Kopierschutz
Wasserzeichen
Anzahl Seiten
96
Jahr
2015
Untertitel
Deutsch
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