Walther Lücker, geboren 1957 in Frankfurt am Main, ist Journalist und Bergsteiger, arbeitete viele Jahre für die 'Frankfurter Rundschau', schreibt und fotografiert für verschiedene Magazine, Zeitungen und Internetseiten. Er begleitete Hans Kammerlander auf mehreren Expeditionen und ist Koautor von dreien seiner Bücher, zuletzt 'Zurück nach Morgen'. Walther Lücker lebt als freier Journalist und Autor in Sand in Taufers, Südtirol.
Vom einsamen Gipfelerlebnis zum Massenziel und Schauplatz offener Gewalt: Am 29. Mai 2018 jährte sich zum 65. Mal die Erstbesteigung des Mount Everest - Magnet für Bergsteiger, Tummelplatz für Abenteurer, Ort intensiver Glücksmomente und schrecklicher Tragödien. Der Journalist, Autor und Bergsteiger Walther Lücker rollt die Geschichte auf, kritisiert die Vermüllung und den Massenansturm und zeigt auf, welchen Stellenwert der Gipfel mit seinen 16 verschiedenen Routen für die erfahrensten Alpinisten hat. Mit Originalbeiträgen prominenter Everestbesteiger dokumentiert dieser Band das Faszinosum des höchsten, meistbegangenen Achttausenders.
Vorwort
60 Jahre Everest - Traum und Albtraum auf dem Dach der Welt
Autorentext
Walther Lücker, geboren 1957 in Frankfurt am Main, ist Journalist und Bergsteiger, arbeitete viele Jahre für die "Frankfurter Rundschau", schreibt und fotografiert für verschiedene Magazine, Zeitungen und Internetseiten. Er begleitete Hans Kammerlander auf mehreren Expeditionen und ist Koautor von dreien seiner Bücher, zuletzt "Zurück nach Morgen". Walther Lücker lebt als freier Journalist und Autor in Sand in Taufers, Südtirol.
Leseprobe
Raum für Traum und Albtraum
Der lange Weg zum Mount Everest führte aus der Abgeschiedenheit des Himalaja zu einem Rummelplatz
Der dritthöchste Berg der Erde, ganz im Osten Nepals auf der Grenze zu Sikkim gelegen, ist ein wuchtiger Klotz und ein sehr einsamer Achttausender. Der 8586 Meter hohe Kangchendzönga, ein Riese aus Fels und Eis, einer der größten Gletscherberge der Welt, ist nicht sehr beliebt bei Höhenbergsteigern - wegen der Einsamkeit, wegen der wochenlangen Exponiertheit, der sich die Kletterer aussetzen, und nicht zuletzt auch wegen der extrem komplizierten Anstiege in Richtung Gipfel.
Drei Spanier, die alle vierzehn Achttausender innerhalb eines Jahres zu besteigen versuchten, der Italiener Fausto de Stefani auf dem Weg zu seinem vierzehnten Achttausender, ein paar Koreaner, beladen mit kilometerlangen Fixseilen und Flaschensauerstoff, und unsere kleine Expeditionsgruppe, angeführt von dem Südtiroler Ausnahmebergsteiger Hans Kammerlander - mehr Menschen bewegten sich 1998 nicht in den Flanken des Kangchendzönga.
Wir hatten in diesem Jahr unser Basislager unter der Südwestwand aufgeschlagen und waren in den ersten beiden Wochen vor allem erstaunt über die extremen Witterungsbedingungen. Bei weit über 30 Grad schwitzten wir am frühen Nachmittag und krochen in den Nächten tief in die Schlafsäcke, wenn das Thermometer oft unter 20 Grad minus fiel.
Zusammen mit Hans Kammerlander hatte ich begonnen, an seinem Buch Bergsüchtig zu schreiben. Nach drei dieser kalten Nächte fror das Display des Notebooks ein, und wir bestaunten wunderbare Eisblumen; die Buchstaben und Worte mussten wir indes durch eifriges Scrollen mit der ebenfalls träge gewordenen Maus mühsam miteinander verbinden.
All das war jedoch nichts im Vergleich zu der überwältigenden Einsamkeit am Fuß dieses Berges. Kangchendzönga bedeutet übersetzt »Die fünf Schatzkammern des großen Schnees«. Manchmal hatte ich das Gefühl, in dieser Stille, in dieser grandiosen Ruhe zum ersten Mal in meinem Leben den wahren Schatz der Einsamkeit gehoben zu haben.
Die Bergsteiger aus Spanien, Italien, Korea und Südtirol sahen sich in diesem Frühjahr 1998 nur sehr selten - eigentlich fast nie. Ich kannte Nepal von Trekkingtouren, aber ich war zum ersten Mal Mitglied einer Expeditionsgruppe unter einem Achttausender. Ich weiß nicht mehr genau, was ich damals eigentlich erwartet hatte, eine derartige Abgeschiedenheit jedenfalls nicht.
Zwei Jahre zuvor hatte sich am Mount Everest jene bis heute unfassbare Katastrophe ereignet, bei der in einem Höhensturm in der Nacht vom 10. auf den 11. Mai 1996 binnen weniger Stunden acht Menschen umkamen, fünf auf der Süd- und drei auf der Nordroute. Ich hatte, wie so viele andere Menschen auch, Jon Krakauers Buch In eisige Höhen regelrecht verschlungen. Weniger aus Sensationsgier, vielmehr hat mich seit meinen ersten Journalistentagen Ende der 1970er-Jahre der US-Reportagejournalismus auf gewisse Weise oft fasziniert. Einige US-amerikanische Schreiber sind in der Lage, selbst schlimme, höchst emotionale und aufwühlende Ereignisse mit einer derart unterkühlten Distanziertheit zu beschreiben, dass einem beim Lesen beinahe das Blut in den Adern gefriert. Doch genau mit dieser »Kälte« schaffen sie eine unmittelbare Nähe zum Ereignis, und es entsteht so eine atemraubende Atmosphäre. Ich hatte 1997 zuerst den Vorabdruck in Geo gelesen und dann das Buch. Nun, am Fuß des Kangchendzönga, las ich den Bestseller erneut. Besser gesagt, wir lasen ihn zu dritt. Wir hatten die gebundene Ausgabe in drei Teile zerrissen. Und weil ich das Buch schon kannte, durfte ich »hinten« anfangen. Hans Kammerlander las derweil die Mitte, und Konrad Auer, ein Bergführer aus Südtirol und Gipfelpartner Kammerlanders am Kangchendzönga, wollte unbedingt vorn beginnen. Als wir fertig waren, tauschten wir die Teile untereinander aus.
Besonder
Inhalt
Vorwort von Elizabeth Hawley Abenteuerliche Reise in grandiose Höhen TEIL I: GESCHICHTE UND GESCHICHTEN Massenandrang bei der Muttergöttin Zu Gast bei Apa Sherpa, dem erfolgreichsten Everest-Bergsteiger der Welt Raum für Traum und Albtraum Der lange Weg zum Mount Everest führte aus der Abgeschiedenheit des Himalaja zu einem Rummelplatz "Immer Dein G. Mallory" Von den ersten Besteigungsversuchen, charismatischen Männern und Mysterien Warum steigt man auf Berge? Edmund Hillary und Tenzing Norgay waren nur als zweites Gipfelteam nominiert "Auf die Queen..." Eine verschlüsselte Nachricht verbreitet die Neuigkeit von der Erstbesteigung des höchsten Bergs der Erde Das Couloir von Tom Hornbein Sechzehn verschiedene Routen liegen wie ein Spinnennetz über dem höchsten Berg Goldene Jahre Messner und Habeler ohne Flaschensauerstoff, Venables mit dem Mut zum Überleben Der Boden, aus dem seltsame Blüten treiben Ein Berg, umgeben von menschlichen Tragödien, Kuriosa und unwahren Geschichten "Der Tod ist nicht das Problem" Was bewirken Katastrophen, Trauer und Leid am höchsten Spielplatz der Erde? Das Drama von 1996 Sterben und Überleben in der Zone des Todes Der Mount Everest fordert viele Opfer, aber nicht jeder, der für tot erklärt wird, ist es auch Sinn und Wahnsinn Warum einem türkischen Bergsteiger im Basislager das Fahrrad abgenommen wurde Wahnsinn ohne Sinn Ein Foto mit einer Menschenschlange geht um die Welt Der schwarze Freitag 2014 16 Tote binnen Sekunden: Ein Eisschlag unter der Westschulter des Everest brachte nicht nur eine Lawine ins rollen TEIL II: REPORTAGEN UND INTERVIEWS Auf Knien und Ellbogen zum Gipfel Peter Habeler und Reinhold Messner, 1978 Fünfze…