Werner Rohner, geboren 1975, lebt als freier Schriftsteller in Zürich. Studium am Schweizerischen Literaturinstitut in Biel. Längere Schreibaufenthalte in Rom, Langenthal und Los Angeles. Er veröffentlichte Texte in Zeitschriften und Anthologien, für die er mehrfach mit Preisen und Stipendien ausgezeichnet wurde, und schrieb drei Theaterstücke. Sein erster Roman, 'Das Ende der Schonzeit', erschien 2014 und war für den Rauriser Literaturpreis nominiert. Zusammen mit Katja Brunner veröffentlichte er 2018 das Buch 'Wie weit du genetisch vom Raubtier entfernt bist'. 'Was möglich ist' ist sein zweiter Roman.
Autorentext
Werner Rohner, geboren 1975, lebt als freier Schriftsteller in Zürich. Studium am Schweizerischen Literaturinstitut in Biel. Längere Schreibaufenthalte in Rom, Langenthal und Los Angeles. Er veröffentlichte Texte in Zeitschriften und Anthologien, für die er mehrfach mit Preisen und Stipendien ausgezeichnet wurde, und schrieb drei Theaterstücke. Sein erster Roman, "Das Ende der Schonzeit", erschien 2014 und war für den Rauriser Literaturpreis nominiert. Zusammen mit Katja Brunner veröffentlichte er 2018 das Buch "Wie weit du genetisch vom Raubtier entfernt bist". "Was möglich ist" ist sein zweiter Roman.
Zusammenfassung
Drei mutige Frauen, drei Neuanfange: In seinem zweiten Roman erzahlt Werner Rohner Geschichten uber die Liebe - so schon, so traurig und so divers wie im echten Leben. Edith, 61 und seit Jahrzehnten Kellnerin im gleichen Cafe, wandert mit ihrem deutlich jungeren Freund nach Marokko aus. Vera verliebt sich in eine Frau und beginnt eine leidenschaftliche Affare, obwohl sie sich mit ihrem Mann gerade auf das erste Kind freut. Lena, Ehefrau und Mutter, reist ubersturzt mit einer alten Liebe nach Neapel, und als ihr bester Freund dort auftaucht und sie zur Ruckkehr bewegen will, zieht sie mit den Kindern bei ihm ein. Einfhlsam und unaufgeregt erzhlt Werner Rohner von Sehnsucht und Begehren, von Aufbruch und Verlust. Und staunend kommt man seinen Figuren beim Lesen so nahe, wie man es sich im echten Leben von den Nchsten oft vergeblich wnscht.
Leseprobe
DEINEN JOB MÜSSTE MAN HABEN - wie oft er das schon gehört hatte, dachte er und konzentrierte sich gleichzeitig darauf, seine Arme durchzustrecken, die eine Hand auf der anderen; sein ganzes Körpergewicht legte er in den Handballen und stiess ihn gegen die Brust der Frau. Fünfzehnmal schnell hintereinander. Dann drückte er ihren Kiefer hoch und blies ihr zweimal kräftig in die Nase.
Was er denn könne, hatte die Frau auf dem Arbeitsamt gefragt, ohne von ihrem Bildschirm aufzuschauen.
Englisch, Französisch, ein wenig Hocharabisch, Katalanisch verstehe er ganz gut, Spanisch halt und vieles andere auch ein bisschen.
»Gut«, sagte Frau Gmür.
Er nickte, nicht ohne Stolz.
»Können Sie das auch schreiben?«
»Mit Fehlern«, gab er wahrheitsgemäss an.
»Was können Sie noch?«
»Kochen.«
»Haben Sie dafür ein Zeugnis?«
Er schüttelte den Kopf.
»Gut«, sagte sie wieder und liess keinen Zweifel daran, dass das nicht reichte. »Sonst noch was?«
»Reisen.«
»Wie haben Sie sich denn all diese Reisen verdient?«
»Bin immer billig gereist.«
»Da steht, Sie haben auf dem Bau gearbeitet, auf dem Schiff, als Dachdecker.«
»Das geht eben nicht mehr. Wegen dem Rücken - dafür hab ich auch ein Zeugnis.«
Sie starrte bloss auf seinen Lebenslauf, der vor ihr lag, und sagte nach einer Weile wieder: »Gut.«
Dann schaute sie ihm zum ersten Mal in die Augen.
Sie sassen einander gegenüber, zwischen zwei Stellwänden in einem Grossraumbüro. Auf einen Fünfundvierzigjährigen ohne Ausbildung hat die Welt nicht gewartet, schien ihr Blick zu sagen. Und eigentlich hatte er ja auch wieder weggewollt; wobei er sich gleichzeitig dabei ertappte, wie erleichtert er insgeheim war, diesen Winter kein Geld dafür zu haben. Schon seit einigen Jahren spürte er: Das Reisen war immer weniger Bedürfnis als einfach eine Gewohnheit, wie für die meisten Menschen wohl das Bleiben.
»Sie haben gesagt, Sie gehen gerne schwimmen?«, fragte Frau Gmür weiter.
»Regelmässig, wegen dem Rücken, ja.«
»Gut.«
»Eben nicht so.«
»Rettungsschwimmer!«, sagte sie und lächelte ihn sogar an.
»So toll auch wieder nicht.«
»Badmeister. Der Kurs beginnt nächste Woche. Die Unterlagen lass ich Ihnen zukommen.«
»Ich weiss nicht -«
»Die brauchen immer wen!«, unterbrach sie ihn, streckte ihm die Hand entgegen, und bevor er noch etwas sagen konnte, drehte sie sich um und versorgte seinen Lebenslauf in einem Hängeregister.
Immerhin am Wasser, hatte sich Christoph gesagt, nachdem er den Rettungsschwimmerkurs und den Winter mit viel Johanniskraut hinter sich gebracht hatte und im Frühling den Job als Badmeister im Freibad Heuried antrat. Und dass er bis Saisonende genug Geld auf der Seite haben würde, um doch wieder zu verreisen.
Daran dachte er nun wieder, um nicht in Panik zu geraten, zählte Länder und Städte auf, in denen er noch nie gewesen war, während er neben dem menschenleeren Schwimmbecken kniete und weiter sein ganzes Gewicht gegen den Brustkorb der Frau fallen liess - und dass er die Atemmaske hätte holen sollen und der Frau aufsetzen. Es wäre einfacher damit, dachte er, und an Aids - diese Angst war nie mehr ganz von ihm gewichen.
Und jetzt die Scham darüber, dass er an sich selbst, nicht an die Frau dachte.
Dann hörte er plötzlich eine Rippe brechen - ein Raunen ging durch die umstehenden Leute -, dann noch eine.
Es war dieselbe Frau, die ihn kurz zuvor nach der