Hans Weigel - wer erinnert sich nicht an die Ohrfeigen der Schauspielerin Käthe Dorsch oder an den 'Brecht-Boykott'?
Doch Hans Weigel war mehr: Er galt als die literarische Instanz Österreichs in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Durch sein umfangreiches literarisches Werk, seine geschliffenen Molière-Übersetzungen, die deutschen Theatermaßstab setzten, ist er heute noch vielen bekannt - den Älteren auch als streitbarer Zeitzeuge mit unzähligen Beiträgen in Zeitungen, Zeitschriften, Radio und Fernsehen.
Die neue, umfassende Biografie ist das erste Werk, das Leben und Wirken Hans Weigels in seiner Gänze - durchaus kritisch - beleuchtet und anlässlich des 25. Todestags des großen Österreich-Liebenden erscheint. Eine persönliche Einführung der bekannten Schauspielerin Elfriede Ott und ein Beitrag von Dr. Johann Hütterer, Nestroy-Kenner und Professor für Theaterwissenschaft, über Hans Weigel und Johann Nestroy bereichern das Buch um spannende Aspekte.

WOLFF A. GREINERT, geb. 1944 in Wien, promovierte nach Studien in Wien und Paris in Theaterwissenschaft, zwei Jahre Regieassistent an der Deutschen Oper in Düsseldorf, bis zu seiner Pensionierung Einkaufsleiter von SCA Ortmann/NÖ. Zahlreiche Publikationen, insbesondere Biografien von Piero Rismondo (1999), Robert Meyer (2007), Werner Krauss (2009) und Jürgen Wilke (2012).

Autorentext

WOLFF A. GREINERT, geb. 1944 in Wien, promovierte nach Studien in Wien und Paris in Theaterwissenschaft, zwei Jahre Regieassistent an der Deutschen Oper in Düsseldorf, bis zu seiner Pensionierung Einkaufsleiter von SCA Ortmann/NÖ. Zahlreiche Publikationen, insbesondere Biografien von Piero Rismondo (1999), Robert Meyer (2007), Werner Krauss (2009) und Jürgen Wilke (2012).



Leseprobe
Erste Begegnungen
mit Hans Weigel

Ganz im Nebel meiner Erinnerung liegen Hans Weigels Theaterkritiken im Bild-Telegraf . Im Haushalt eines Auslandsjournalisten hatten wir jeden Morgen in den Fünfziger- und Sechzigerjahren alle Wiener Zeitungen im Haus, so auch die Boulevardblätter Bild-Telegraf und Express . Als Student der Theaterwissenschaft habe ich beim Frühstück alle Feuilletonseiten der Tageszeitungen regelrecht studiert, so auch die Kulturseite des Bild-Telegraf . An Spezielles von Hans Weigel kann ich mich nicht erinnern, es ist alles schon mehr als vierzig Jahre her. Nur ganz dunkel ist in meiner Erinnerung hängen geblieben: Seine Artikel waren pointiert, oft scharf und gelegentlich sehr subjektiv, seine Glossen In den Wind gesprochen waren aktuell und trafen oft den Nagel auf den Kopf.

Wir Theaterwissenschaftler besuchten damals alle wichtigen Wiener Generalproben und am Stehplatz die Premieren im Theater in der Josefstadt. Meine Kollegin Renate Wagner mit der hinreißenden Radiostimme wurde wenige Jahre später in Hans Weigels Bannkreis gezogen. Im Weigel-Erinnerungsbuch hält sie fest: "[...] ich schien ein Geschöpf, über das Hans Weigel gewillt war, seine schützende und auch fördernde Hand zu halten, ohne dass ich ihn je darum bitten musste. [...] Dass er mich gefördert hat, fand ich deshalb so besonders ehrenvoll, weil ich schließlich nicht - wie viele andere seiner 'Kinder' - eine Dichterin, sondern nur eine Journalistin war, wenn auch mit dem Anspruch, solide und dabei lesbare Sachbücher zu schreiben. Und dabei hat er mich nach Leibeskräften unterstützt. Er war, man kann's nicht anders sagen, Mentor aus Leidenschaft." 1 Es war das Theater in der Josefstadt, in dem ich Aufführungen der geschliffenen, musikalisch klingenden Molière-Übersetzungen von Die Schule der Frauen und des Menschenfeind von Hans Weigel in deutschen Alexandrinern als Student Mitte der Sechzigerjahre zum ersten und leider einzigen Mal hörte und sah.

Das sind die wenigen vagen Erinnerungen aus meiner Studentenzeit, in der der Weigel, geohrfeigt von der durch eine seiner Kritiken erzürnten Burgschauspielerin Käthe Dorsch - auch das war uns Studenten der hohen Kunst des Theaters natürlich bekannt -, weit entfernt und unnahbar erschien.

Es mussten erst Jahre, nein Jahrzehnte vergehen, bis ich ihm, dem überall bekannten Hans Weigel, gegenüberstand. Ich war dem Theater abtrünnig geworden und erb- und familienbedingt in der Papierindustrie gelandet. Einer meiner Freunde, der als Leiter des niederösterreichischen Heimatwerks im Bezirk Scheibbs weithin bekannte Hans Hagen Hottenroth, war damals Direktor der Volksschule in Reinsberg bei Scheibbs und wollte in unserem niederösterreichischen Städtchen literarisch-musikalische Abende organisieren, fand aber dafür keinen passenden Saal mit Atmosphäre.

Eines Abends, bei einem guten Glas Wein, klagte er mir sein Leid. Wir hatten in dem zu dieser Zeit uns gehörenden Schloss Neubruck mehr als einen Saal, der für derartige Veranstaltungen geeignet war, und wir wählten den ebenerdigen sogenannten Speisesaal aus. Er war wunderschön an Decke und Wänden getäfelt, mit echten, die Arbeiten in den Jahreszeiten zeigenden Kachelbildern und einem großen offenen Kamin. Mit wenigen anderen zusammen gründeten wir den vom niederösterreichischen Heimatwerk geförderten Verein Literatur am Kamin . Den Saal rüsteten wir mit viel Liebe, einem Podium, Lichtspots auf den Lesetisch mit alter Leselampe - sie steht heute noch auf meinem Wiener Schreibtisch - und zu dimmendem Saallicht aus.

Hans Hagen Hottenroth lud 1983 Hans Weigel zu einer Lesung ein. Wir hatten schon davor eine illustre Runde von Vortragenden: Von 1980 bis 1982 versprühten unter anderem Reinhard P. Gruber, Humbert Fink, Julian Schutting, Barbara Frischmuth, Alois Brandstetter, Hans Krendlesberger und Andreas Okop
Titel
Hans Weigel
Untertitel
"Ich war einmal..."
EAN
9783990403907
ISBN
978-3-99040-390-7
Format
E-Book (epub)
Veröffentlichung
28.10.2015
Digitaler Kopierschutz
frei
Dateigrösse
4.01 MB
Anzahl Seiten
352
Jahr
2015
Untertitel
Deutsch
Auflage
1. Auflage.
Lesemotiv