Die Begegnung mit Arie, einem alten Freund ihres Vaters, wirft das Leben der Ich-Erzählerin Ja'ara aus der Bahn. Vom ersten Moment an verfällt sie der erotischen Anziehungskraft des ebenso rätselhaften wie tyrannischen Egozentrikers. Ja'ara erlebt eine bedingungslose, obsessive und demütigende Liebesbeziehung, die sie dazu bringt, auf alles zu verzichten, was ihr Leben bisher ausgemacht hat: ihre Ehe, ihre Karriere, ihre Vorstellungen von Treue und Anstand.

Zeruya Shalev, 1959 in einem Kibbuz am See Genezareth geboren, studierte Bibelwissenschaften und lebt mit ihrer Familie in Jerusalem. Ihre vielfach ausgezeichnete Trilogie über die moderne Liebe - 'Liebesleben', 'Mann und Frau', 'Späte Familie' - wurde in über zwanzig Sprachen übertragen. Zeruya Shalev gehört zu den bedeutendsten Erzählerinnen unserer Zeit.

Ja'ara arbeitet als Dozentin an der Universität in Jerusalem und führt ein geregeltes und zufriedenes Leben. Dann begegnet sie Arie. Der viel ältere, gerade erst nach Israel zurückgekehrte Freund ihres Vaters bringt Ja'aras Leben vollkommen durcheinander. Ja'ara verfällt der erotischen Anziehungskraft des ebenso rätselhaften wie tyrannischen Egozentrikers. Alles, was in ihrem Leben bisher wichtig war, tritt zurück hinter der bedingungslosen Liebe, die sie zu Arie empfindet. Der harmlose Ehemann, die wissenschaftliche Karriere und selbst ihre Vorstellungen von Treue und Anstand fallen in sich zusammen, als habe nichts jemals eine wirkliche Bedeutung gehabt. Fortan gibt es für Ja'ara nur noch das »Liebesleben«, dessen Raum bis in den kleinsten Winkel durchleuchtet wird: schmerzvoll, unbarmherzig und so ehrlich, dass jede Schmerzgrenze überschritten wird.



Autorentext

Zeruya Shalev, 1959 in einem Kibbuz am See Genezareth geboren, studierte Bibelwissenschaften und lebt mit ihrer Familie in Jerusalem. Ihre vielfach ausgezeichnete Trilogie über die moderne Liebe - "Liebesleben", "Mann und Frau", "Späte Familie" - wurde in über zwanzig Sprachen übertragen. Zeruya Shalev gehört zu den bedeutendsten Erzählerinnen unserer Zeit.



Leseprobe
Kapitel 1

Er war nicht mein Vater und nicht meine Mutter, weshalb öffnete er mir dann ihre Haustür, erfüllte mit seinem Körper den schmalen Eingang, die Hand auf der Türklinke, ich begann zurückzuweichen, schaute nach, ob ich mich vielleicht im Stockwerk geirrt hatte, aber das Namensschild beharrte hartnäckig darauf, daß dies ihre Wohnung war, wenigstens war es ihre Wohnung gewesen, und mit leiser Stimme fragte ich, was ist mit meinen Eltern passiert, und er öffnete weit seinen großen Mund, nichts ist ihnen passiert, Ja'ara, mein Name rutschte aus seinem Mund wie ein Fisch aus dem Netz, und ich stürzte in die Wohnung, mein Arm streifte seinen kühlen glatten Arm, ich ging an dem leeren Wohnzimmer vorbei, öffnete die verschlossene Tür ihres Schlafzimmers.

Wie auf frischer Tat ertappt, drehten sie mir die Gesichter zu, und ich sah, daß sie im Bett lag, ein geblümtes Küchenhandtuch um den Kopf gewickelt, eine Hand an der Stirn, als fürchte sie, das Tuch könne runterfallen, und mein Vater saß auf dem Bettrand, ein Glas Wasser in der Hand, das Glas bewegte sich im gleichen Rhythmus wie er hin und her, und auf dem Fußboden, zwischen seinen Füßen, hatte sich schon eine kleine zitternde Pfütze gebildet. Was ist passiert? fragte ich, und sie sagte, ich fühle mich nicht wohl, und mein Vater sagte, noch vor zwei Minuten hat sie sich prima gefühlt, und sie maulte, siehst du, er glaubt mir wieder mal nicht. Was hat der Arzt gesagt, fragte ich, und mein Vater sagte, was für ein Arzt, sie ist gesund wie ein Ochse, ich wünschte, ich wäre so gesund wie sie, und ich blieb hartnäckig, aber ihr habt einen Arzt gerufen, oder? Er hat mir doch die Tür aufgemacht, oder?

Wieso Arzt, mein Vater lachte, das ist mein Freund Arie Even, erinnerst du dich nicht an Arie? Und meine Mutter sagte, warum sollte sie sich an ihn erinnern, sie war noch nicht geboren, als er das Land verlassen hat, und mein Vater stand auf und sagte, ich gehe zu ihm, es gehört sich nicht, ihn allein zu lassen. Eigentlich sah es aus, als käme er ganz gut allein zurecht, sagte ich, er benahm sich wie der Herr des Hauses, und meine Mutter begann zu husten, ihre Augen wurden rot, und mein Vater hielt ihr ungeduldig das Glas hin, das inzwischen schon fast leer war, und sie schnaubte, bleib bei mir, Schlomo, ich fühle mich nicht wohl, aber er war schon an der Tür, Ja'ara bleibt bei dir, sagte er, wofür hat man denn Kinder.

Sie trank den Rest Wasser und nahm sich das nasse Handtuch vom Kopf, ihre dünnen Haare standen hoch wie die Stacheln eines Igels, mitleiderweckend, und als sie versuchte, sie an ihrem Schädel glattzustreichen, dachte ich an den Zopf, den sie einmal hatte, diesen hinreißenden Zopf, der sie überallhin begleitete, lebendig wie eine kleine Katze, und ich sagte, warum hast du ihn abgeschnitten, das war, wie wenn man ein Bein amputiert, hättest du dir mit derselben Leichtigkeit ein Bein abnehmen lassen? Sie sagte, der Zopf hat schon nicht mehr zu mir gepaßt, nachdem sich alles verändert hatte, und richtete sich im Bett auf, schaute nervös auf die Uhr, wie lange will er noch hier sitzen, mir stinkt es, den hellichten Tag im Bett zu verbringen.

Du bist wirklich nicht krank, stellte ich fest, und sie kicherte, natürlich nicht, ich kann diesen Kerl einfach nicht ausstehen, und ich sagte sofort, ich auch nicht, denn die Stelle, wo unsere Arme sich berührt hatten, brannte, als hätte mich etwas gestochen, und dann fragte ich, warum.

Das ist eine lange Geschichte, sagte sie, dein Vater schätzt ihn, sie haben zusammen studiert, vor dreißig Jahren, er war sein bester Freund, aber ich habe immer gedacht, daß Arie nur mit ihm spielt, ihn sogar ausnützt, ich glaube nicht, daß er überhaupt in der Lage ist, etwas zu fühlen. Schau doch, jahrelang haben wir nichts von ihm gehört, und plötzlich taucht er hier auf, weil Papa etwas für ihn arrangieren soll.

Aber du hast gesagt, daß er nicht hier gelebt hat, sagte ich und fand mich pl

Titel
Liebesleben
Untertitel
Roman
Übersetzer
EAN
9783827072306
ISBN
978-3-8270-7230-6
Format
E-Book (epub)
Hersteller
Herausgeber
Veröffentlichung
01.07.2010
Digitaler Kopierschutz
Wasserzeichen
Dateigrösse
0.66 MB
Anzahl Seiten
368
Jahr
2010
Untertitel
Deutsch
Features
Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet